Der weite Himmel: Roman (German Edition)
sah auch er, was dort auf dem Holzboden lag.
Automatisch trat er vor und legte Lily eine Hand auf den Arm. »Schon gut, schon gut. Denk nicht mehr daran, Lily.«
»Adam, ich …« Übelkeit stieg in ihr auf und löste in ihrem Magen einen regelrechten Aufruhr aus.
»Ich weiß. Du gehst jetzt hinein. Schau mich an«, flüsterte er, löste sie behutsam aus Bens Armen und führte sie zur Tür. »Willa begleitet dich.«
»Hör zu, ich muß …«
»Kümmere dich um deine Schwester, Will«, unterbrach sie Adam. Er ergriff ihre Hand und legte sie über die von Lily.
Willa verlor den Kampf mit sich selbst, als sie spürte, wie Lilys Hand unter ihrer zitterte. Mit einem unterdrückten Fluch zog sie ihre Schwester sanft ins Haus. »Komm mit. Du mußt dich hinsetzen.«
»Da draußen war …«
»Ich weiß, was du gesehen hast. Vergiß es einfach.« Willa schloß energisch die Tür und überließ es den Männern, sich mit dem kopflosen Kadaver auf der Veranda zu befassen.
»Himmel, Adam, ist das ’ne Katze?« Jim Brewster wischte sich mit der Hand über den Mund. »Die ist ja nach allen Regeln der Kunst zu Gulasch verarbeitet worden.«
Adam drehte sich um und musterte die Männer einen nach dem anderen: Jim, totenbleich und mit auf und ab hüpfendem Adamsapfel; Ham, die Lippen fest zusammengepreßt; Pickles, der sich eine Flinte über die Schulter geworfen hatte. Daneben standen Billy Vincent, kaum achtzehn und vor Neugier zitternd, und Wood Book, der sich nachdenklich über den seidigen schwarzen Bart strich.
Er war es auch, der das Wort ergriff. Seine Stimme klang ruhig und beherrscht. »Wo ist denn der Kopf geblieben? Hier liegt er jedenfalls nicht.« Er trat einen Schritt näher. Wood war für Aussaat und Ernte verantwortlich, seine Frau Nell kochte für die Arbeiter auf der Ranch. Wood roch nach Old Spice und Pfefferminzbonbons. Adam kannte ihn als einen ruhigen, zuverlässigen Mann, der so unerschütterlich wirkte wie der Felsen von Gibraltar.
»Vielleicht haben wir es mit einem Trophäensammler zu tun.« Adams Stimme brachte die anderen zum Schweigen. Nur Billy fuhr fort, aufgeregt vor sich hinzuplappern.
»Mannomann, habt ihr so was schon mal gesehen? Auf der ganzen Veranda liegen die Eingeweide rum! Wer macht denn so was? Das arme Vieh, was meint ihr, wer das …?«
»Halt den Mund, Billy, du Volltrottel.« Der gequälte Befehl kam von Ham, der seufzend sein Zigarettenpäckchen hervorholte. »Seht zu, daß ihr zu eurem Abendessen zurückkommt, alle miteinander. Hier gibt es nichts mehr zu tun, und ihr braucht nicht dazustehen und Maulaffen feilzuhalten.«
»Also mir ist der Appetit vergangen«, knurrte Jim, doch er und die anderen zogen sich widerwillig zurück.
»Dumme Geschichte«, kommentierte Ham, »könnte ein Kind gewesen sein. Woods Jungs sind zwar ein bißchen wild, aber nicht bösartig. Wenn du mich fragst, es gehört eine gehörige Portion Grausamkeit dazu, um so etwas zu tun. Aber ich werde die beiden trotzdem ins Gebet nehmen.«
»Ham, nimm’s mir nicht übel, aber weißt du, was die Männer in der letzten Stunde so gemacht haben?«
Ham betrachtete Ben durch eine Rauchwolke hindurch schweigend, dann sagte er: »Die waren überall und nirgends, haben sich zum Essen umgezogen und so. Ich habe sie nicht die ganze Zeit im Auge behalten, wenn du das meinst, aber die Männer, die hier arbeiten, gehen nicht hin und stechen Katzen ab.«
Ben nickte nur. Es stand ihm nicht zu, weitere Fragen zu stellen, und sie beide wußten das. »Es muß innerhalb der letzten Stunde passiert sein. Ich bin schon eine Weile hier, und als ich kam, lag die Katze noch nicht da.«
Ham inhalierte tief und nickte dann zustimmend. »Ich spreche mit Woods Söhnen.« Er warf dem Bündel auf der Veranda einen letzten Blick zu. »Dumme Geschichte«, wiederholte er, drehte sich auf dem Absatz um und ging.
»Das ist schon das zweite Tier, das innerhalb einer Woche abgeschlachtet wurde, Adam.«
Adam bückte sich und strich mit der Fingerspitze über das blutige Fell. »Sein Name war Mike. Er war schon alt, halb blind und hätte eigentlich friedlich im Schlaf sterben sollen.«
»Es tut mir leid.« Ben verstand sehr gut, daß Adam zu seinen Tieren eine enge Beziehung hatte, er legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. »Ich fürchte, du hast ein echtes Problem, Kumpel.«
»Wie wahr. Woods Söhne sind hierfür nicht verantwortlich, und sie waren mit Sicherheit auch nicht oben in den Bergen und haben den Ochsen
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