Der weite Himmel: Roman (German Edition)
getötet.«
»Nein, das glaube ich auch nicht. Wie gut kennst du eigentlich deine Leute?«
Adam blickte auf. In seinen Augen spiegelten sich Trauer und Zorn wider. »Die Männer fallen nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. Ich bin nur für die Pferde verantwortlich.« Immer noch warm, stellte er fest, als er über das zottige Fell strich. Der alte Mike war immer noch warm. »Aber ich kenne die Leute ganz gut. Außer Billy sind sie alle schon seit Jahren hier, und der kam letzten Sommer zu uns. Frag Willa, die kann dir da besser helfen.« Traurig blickte er auf die Überreste des alten Katers hinab. »Lily hätte dieser Anblick erspart bleiben sollen.«
»Sie nimmt es besonders schwer.« Seufzend fragte sich Ben, wie nahe Lily wohl daran gewesen war, den Täter auf frischer Tat zu ertappen. »Ich helfe dir, ihn zu begraben.«
Drinnen im Haus ging Willa nervös im Wohnzimmer auf und ab. Wie, zum Teufel, sollte sie sich nur um diese Frau kümmern? Und warum hatte Adam ihr diesen nutzlosen Auftrag erteilt? Lily saß zusammengekauert in einer Sofaecke und zitterte am ganzen Körper.
Sie hatte ihrer Halbschwester einen Whiskey gegeben. Sie hatte ihr sogar, in Ermangelung einer besseren Idee, über das Haar gestrichen, um sie zu trösten. Um Gottes willen, sie hatte wahrlich genug Probleme, da konnte sie nicht auch noch eine zimperliche Oststaatlerin mit einem schwachen Magen gebrauchen.
»Entschuldige bitte.« Dies waren die ersten Worte, die Lily herausgebracht hatte, seit sie im Wohnzimmer saßen. Sie holte tief Luft und nahm einen neuen Anlauf. »Tut mir leid, daß ich so geschrieen habe. Aber ich habe so etwas noch nie … ich war mit Adam bei den Pferden, und dann habe ich … ich wollte doch nur …«
»Trink endlich den verdammten Whiskey, ja?« fauchte Willa und verfluchte sich sofort dafür, als Lily erschrocken das Glas an die Lippen führte. Ärgerlich über sich selbst, rieb sich Willa mit den Händen über das Gesicht. »Jeder hätte angefangen zu schreien, wenn er über so eine Schweinerei stolpert. Ich bin dir deswegen nicht böse.«
Lily haßte allein schon den Geruch von Whiskey. Jesse hatte stets Seagram’s bevorzugt. Und je tiefer der Pegel in der Flasche sank, um so schlechter wurde dann seine Laune. Regelmäßig. Aber nun tat sie Willa zuliebe so, als würde sie trinken. »War es eine Katze? Es sah aus wie eine Katze.« Lily biß sich fest auf die Lippe, um zu verhindern, daß ihre Stimme brach. »War es deine Katze?«
»Die Katzen, Hunde und Pferde gehören alle Adam. Aber diese Tat galt mir. Man hat sie nicht auf Adams Veranda gelegt, sondern auf meine. Es galt mir.«
»So wie … so wie das mit dem Ochsen?«
Willa blieb stehen. »Ja. Diese Sache sollte auch mich treffen.«
»So, hier ist eine schöne Tasse Tee.« Bess kam mit einem Tablett geschäftig ins Zimmer und nahm Lily sofort unter ihre Fittiche. »Will, was denkst du dir eigentlich dabei, dem armen Ding Whiskey einzuflößen? Der bringt ihren Magen doch nur noch mehr durcheinander.« Sanft nahm sie Lily das Glas aus der Hand und stellte es beiseite. »Sie trinken jetzt den Tee, Schätzchen, und ruhen sich dann aus. Sie haben einen bösen Schock. Will, hör auf, ständig herumzulaufen, und setz dich hin!«
»Kümmere du dich um sie. Ich muß hier raus.«
Während sie mit ruhiger Hand den Tee einschenkte, sandte Bess Willa einen bitterbösen Blick hinterher. »Das Mädchen tut nie, was man ihr sagt!«
»Sie ist aufgeregt.«
»Das sind wir alle.«
Lily legte beide Hände um ihre Tasse und genoß die Wärme, die sich beim ersten Schluck in ihr ausbreitete. »Aber sie nimmt es sich besonders zu Herzen. Ihr gehört schließlich die Ranch.«
Bess neigte leicht den Kopf. »Ein Teil davon gehört jetzt Ihnen.«
»Nein.« Lily nippte erneut an ihrem Tee. Langsam wurde sie ruhiger. »Es wird immer Willas Ranch bleiben.«
Die Katze war inzwischen entfernt worden, doch auf dem Holzboden glänzte noch immer eine dunkle Blutlache. Willa holte sich einen Eimer mit Seifenwasser und eine Bürste. Bess hätte ihr diese Arbeit abgenommen, das wußte sie, doch es erschien ihr nicht richtig, diese Aufgabe einem anderen zu überlassen.
Auf allen vieren kroch sie im Schein der Außenlampe auf der Veranda herum und beseitigte die Zeichen der grausamen Tat. Der Tod war ein Teil des Lebens. Sie hatte diese Tatsache immer als gegeben hingenommen und akzeptiert. Die Rinder wurden gezüchtet, um geschlachtet zu werden, Hühner, die
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