Der weite Himmel: Roman (German Edition)
Wood, der zusammen mit seiner Familie zu Abend aß, waren alle da. Ham saß am Kopfende des großen Tisches und hatte den Stuhl ein Stück nach hinten geschoben, da er seine Mahlzeit soeben beendet hatte. Billy und Jim fuhren fort, wie ausgehungerte Wölfe Huhn und Klöße zu verputzen, und Pickles goß ein Bier hinunter und starrte den ungebetenen Gast finster an.
»Tut mir leid, daß ich euch beim Essen störe.«
»Wir sind sowieso fertig«, versicherte ihr Ham. »Billy, mach dich an den Abwasch. Wenn du noch mehr in dich hineinstopfst, dann platzt du. Möchtest du einen Kaffee, Will?«
»Gerne.« Sie ging zum Herd und schenkte sich eine Tasse ein. Diese Angelegenheit erforderte viel Fingerspitzengefühl, dessen war sie sich bewußt. Sie mußte taktvoll und zugleich direkt vorgehen. »Ich kann mir nicht vorstellen, wer es fertigbringt, eine hilflose Katze dermaßen zuzurichten.« Vorsichtig nippte sie an ihrem Kaffee. »Hat einer von euch eine Idee?«
»Ich habe mit Woods Söhnen gesprochen.« Ham erhob
sich, um sich auch einen Kaffee zu holen. »Nell sagt, sie waren fast den ganzen Abend bei ihr im Haus. Allerdings besitzen beide ein Taschenmesser. Nell hat sie geholt und mir gezeigt. Sie waren blitzeblank.« Er verzog das Gesicht. »Der jüngere, Pete, ist in Tränen ausgebrochen, als er hörte, was dem alten Mike zugestoßen ist. Ein großer Bengel, der Pete. Man vergißt leicht, daß er erst acht Jahre alt ist.«
»Wär’ nicht das erste Mal, daß Kinder solchen Mist verzapfen.« Pickles schaute sorgenvoll in sein Bierglas. »Aus denen werden dann später mal Serienkiller.«
Willa warf ihm einen Blick zu. Wenn jemand eine Sache noch schlimmer machen konnte, als sie ohnehin schon war, dann Pickles. »Ich wage das bei Woods Söhnen zu bezweifeln.«
»Könnt’ ja auch McKinnon gewesen sein.« Billy klapperte mit den Tellern und hoffte insgeheim, Willa möge endlich von ihm Notiz nehmen. Er war bis über beide Ohren in sie verschossen. »Er war immerhin in beiden Fällen dabei.« Mit einer ruckartigen Kopfbewegung warf er sein strohblondes Haar zurück und polierte die Teller ein wenig fester als nötig, damit seine Armmuskeln besser zur Geltung kamen. »Seine Männer hielten sich oben in den Bergen auf, als der Ochse abgemurkst wurde.«
»Du solltest vor Inbetriebnahme des Mundwerks mal dein Gehirn einschalten, du Vollidiot.« Hams Bemerkung entbehrte jeglicher Bosheit. Seiner Meinung nach war jeder unter dreißig ein Idiot, Billy mit seiner lebhaften Fantasie und den großen Kinderaugen noch mehr als andere. »McKinnon ist nicht der Typ, der eine harmlose alte Katze aufschlitzt.«
»Aber er war am Tatort«, beharrte Billy störrisch und schielte zu Willa, um sich zu vergewissern, daß sie ihm zuhörte.
»Ja, er war hier«, stimmte Willa ihm zu. »Und er war die ganze Zeit mit mir zusammen. Ich habe ihn selbst ins Haus gelassen, und da lag die Katze noch nicht auf der Veranda.«
»Als der Alte noch da war, ist so was nie vorgekommen.« Pickles schlürfte sein Bier und sah Willa herausfordernd an.
»Komm schon, Pickles.« Unbehaglich rutschte Jim auf seinem knarrenden Stuhl hin und her. »Du kannst doch Will nicht die Schuld an dieser Geschichte in die Schuhe schieben.«
»Ich stell’ nur eine Tatsache fest.«
»Das ist richtig.« Willa nickte gleichmütig. »Als mein alter Herr noch lebte, ist so etwas nie vorgekommen. Aber er ist tot, und ich trage jetzt die Verantwortung. Und wenn ich herausgefunden habe, wer das getan hat, werde ich ihn persönlich zur Rechenschaft ziehen.« Sie setzte ihre Tasse ab. »Ich möchte, daß ihr alle noch einmal ganz genau nachdenkt. Versucht, euch an jede Kleinigkeit zu erinnern. Wenn euch irgend etwas einfällt, wißt ihr ja, wo ihr mich findet.«
Sowie die Tür hinter ihr ins Schloß gefallen war, trat Ham kräftig gegen Pickles’ Stuhl. »Was fällt dir eigentlich ein? Das Mädchen hat immer ihr Bestes getan.«
»Aber sie ist nun mal bloß ’ne Frau.« Und darin lag seiner Meinung nach die Wurzel allen Übels. »Weibern kann man nicht trauen, und man kann sich schon gar nicht auf sie verlassen. Wer sagt mir denn, daß der, der den Ochsen und die Katze kaltgemacht hat, sich nicht nächstes Mal an ’nem Menschen versucht?« Er kippte sein Bier hinunter, während er wartete, daß die Saat aufging. »Wollt ihr vielleicht ständig auf sie aufpassen? Ich ganz bestimmt nicht!«
Billy ließ beinahe einen Teller fallen. Seine Augen wurden vor Aufregung riesengroß.
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