Der weite Himmel: Roman (German Edition)
hab’ Ben praktisch gezwungen, mich mitzunehmen, aber ich schwöre hoch und heilig, daß ich dir nicht im Weg sein werde, bis du fertig bist.«
»Red doch keinen Unsinn. Ich hatte schließlich wochenlang keine Gelegenheit mehr, mit der Kleinen zu spielen. Und sie ist ja so gewachsen, stimmt’s, meine Süße?« Willa hob Abby hoch und schwang sie durch die Luft. »Ihre Augen werden langsam grün.«
»Sie bekommt die typischen McKinnon-Augen«, pflichtete Shelly ihr bei. »Man sollte doch meinen, sie hätte soviel Anstand, wenigstens auch mir ein bißchen zu ähneln. Immerhin habe ich sie neun Monate lang mit mir herumgetragen. Aber nein, sie sieht genauso aus wie ihr Papa.«
»Ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube, sie hat deine Ohren.« Willa gab Abby einen Kuß auf die Nasenspitze.
»Meinst du wirklich?« Shelly lächelte entzückt. »Sie schläft schon die ganze Nacht durch, ohne einen Mucks zu tun, und das mit fünf Monaten. Nach all den Horrorgeschichten, die mir zu Ohren gekommen sind, hatte ich damit
gerechnet, daß …« Wie um sich selbst Einhalt zu gebieten, hob sie beide Hände. »Da rede ich und rede, und dabei hatte ich versprochen, dir nicht im Weg zu stehen. Zack behauptet immer, ich würde nur zum Atemholen Pause machen.«
»Zack redet selber ohne Punkt und Komma«, warf Ben ein. »Wundert mich eigentlich, daß Abby nicht schon Monologe hält – mit euch beiden als Eltern.« Er streckte eine Hand aus, um das Baby liebevoll in die Wange zu zwicken, und grinste Willa an. »Ist sie nicht ein goldiges Ding?«
»Und sie hat ein liebenswürdiges Wesen, was beweist, daß sie nicht nur nach den McKinnons geraten sein kann.« Mit leichtem Bedauern reichte sie das vor Wonne glucksende Baby an seine Mutter zurück. »Bess ist in der Küche, Shelly. Sie wird begeistert sein, dich und Abby zu sehen.«
»Hoffentlich hast du bald einmal Zeit, um uns zu besuchen, Will.« Shelly legte Willa eine Hand auf den Arm. »Sarah wollte eigentlich auch mitkommen, aber sie konnte sich nicht von der Ranch loseisen. Wir haben viel an dich gedacht.«
»Ich komme bald einmal vorbei. Vielleicht kannst du Bess ein Stück von der Pastete abschwatzen, die sie gerade macht. Alle Unterlagen sind oben im Büro«, wandte sie sich an die beiden Männer.
»Du weißt doch, daß es sich um eine reine Formsache handelt, Will«, begann Nate. »Nur damit uns keiner nachsagen kann, wir würden uns nicht an die testamentarischen Bestimmungen halten.«
»Schon gut.« Trotzdem wirkte Willa steif und abweisend, als sie den beiden voran zum Büro ging.
»Wo sind denn deine Schwestern?«
»Die sind mit Adam ausgeritten«, erklärte Willa und nahm hinter dem Schreibtisch Platz. »Lange werden sie wohl nicht mehr bleiben. Unsere Miß Hollywood steht nicht mehr als eine Stunde in dieser Kälte durch.«
Nate setzte sich und streckte seine langen Beine aus. »Wie ich sehe, versteht ihr euch immer noch glänzend.«
»Wir gehen uns aus dem Weg.« Willa reichte ihm eines der Bücher. »Funktioniert ganz gut.«
»Der Winter ist lang.« Ben ließ sich auf einer Ecke des Schreibtisches nieder. »Ihr zwei solltet entweder Frieden schließen oder euch gegenseitig erschießen, damit endlich Ruhe herrscht.«
»Der zweite Vorschlag kommt mir etwas unfair vor. Sie könnte eine Winchester nicht von einem Besenstiel unterscheiden.«
»Dann muß ich es ihr wohl beibringen«, lautete Nates Kommentar, während er Zahlenreihen überflog. »Sonst alles in Ordnung hier?«
»Soweit ja.« Willa konnte nicht länger stillsitzen. Nervös sprang sie auf. »Meiner Meinung nach sind die Männer davon überzeugt, daß Pickles’ Mörder längst über alle Berge ist. Die Polizei konnte nichts Gegenteiliges beweisen. Es gab keine Spuren, keine Tatwaffe und kein Motiv.«
»Stimmst du denn dieser Theorie zu?« wollte Ben wissen.
Sie wich seinem Blick nicht aus. »Ich will und muß daran glauben. Immerhin liegt der Mord schon drei Wochen zurück.«
»Deswegen brauchst du aber nicht unvorsichtig zu werden«, murmelte Ben, und Willa legte den Kopf auf die Seite.
»Ich kann schon auf mich aufpassen. In jeder Hinsicht.«
»Hier gibt es nichts zu beanstanden.« Nate reichte das Buch an Ben weiter. »Wenn man alles zusammennimmt, dann hattest du ein gutes Jahr.«
»Das nächste wird wahrscheinlich noch besser.« Sie schwieg einen Moment. Nur zu gerne hätte sie sich geräuspert, um den Frosch in ihrem Hals loszuwerden, unterließ es jedoch lieber. »Ich habe vor,
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