Der weite Himmel: Roman (German Edition)
im kommenden Frühjahr verschiedene einheimische Grassorten auszusäen. In diesem Punkt waren Pa und ich uns nie einig. Ich bin aber der Meinung, daß bestimmte Pflanzen nicht ohne Grund in bestimmten Regionen gedeihen, also werden wir uns danach richten.«
Ben warf ihr einen erstaunten Blick zu. Er hatte sie im Zusammenhang mit der Ranch noch nie von Veränderungen sprechen hören. »Vor fünf Jahren haben wir dasselbe auf Three Rocks gemacht, und zwar mit guten Ergebnissen.«
Willa schaute Ben an. »Ich weiß. Außerdem werden wir die Herden in kürzeren Abständen von Weide zu Weide treiben. Sie sollten nicht länger als drei Wochen auf einem Fleck bleiben.« Da sie erregt im Zimmer auf und ab ging, fiel ihr nicht auf, daß Ben das Buch beiseite gelegt hatte und sie aufmerksam musterte. »Ich bin längst nicht so erpicht darauf wie Pa, die größten und fettesten Rinder zu züchten. In den letzten Jahren haben uns übernatürlich große Kälber eine Menge Schwierigkeiten bei der Geburt bereitet. Vielleicht werden die Änderungen anfangs die Profitquote senken, aber ich plane für einen längeren Zeitraum.«
Sie schraubte die Thermoskanne auf, die sie auf dem Schreibtisch stehengelassen hatte, und goß sich einen Kaffee ein, obwohl die Flüssigkeit inzwischen nur noch lauwarm war. »Ich habe mit Wood über die Getreidefelder gesprochen. Er hat da so einige Ideen, mit denen Pa ganz und gar nicht einverstanden war, aber ich denke, ein Versuch lohnt sich. Es handelt sich insgesamt um etwa sechshundert Morgen Land. Ich werde Wood die Verantwortung dafür übertragen. Wenn die Sache schiefgeht, ist das auch kein Weltuntergang. Mercy kann eine Versuchsphase von ein oder zwei Jahren durchaus verkraften. Wood will auch einen Silo bauen, dann können wir unsere eigene Luzerne fermentieren.«
Willa hielt einen Moment inne. Sie wußte genau, was manche Leute zu ihren Plänen hinsichtlich der Getreidefelder oder zu ihrer Idee, die Pferdezucht noch auszubauen, sagen würden – daß sie vergessen hätte, daß Mercy seit Generationen eine Rinderranch sei. Doch sie vergaß nichts, sondern blickte nach vorne, in die Zukunft.
Willa setzte ihre Tasse ab. »Hat einer von euch beiden in seiner Eigenschaft als Kontrolleur etwas gegen meine Pläne einzuwenden?«
»Im Prinzip nicht.« Nate erhob sich. »Aber ich bin auch kein Experte für Rinderzucht. Ich gehe jetzt runter und sehe nach, ob für mich auch noch ein Stück Pastete abfällt. Ihr beiden könnt das Thema ja unter euch ausdiskutieren.«
»Nun?« erkundigte sich Willa bei Ben, als sie allein mit ihm war.
»Nun«, echote er und griff nach ihrer Kaffeetasse. »Pfui Teufel, Will, der ist ja eiskalt.« Mit angewidertem Gesichtsausdruck schluckte er die Flüssigkeit hinunter. »Und gallebitter obendrein.«
»Ich hab’ dich nicht nach deiner Meinung über den Kaffee gefragt.«
Ben blieb auf der Tischkante sitzen und sah zu ihr auf. »Wo kommen denn all diese Ideen auf einmal her?«
»Ich hab’ doch wohl Verstand genug, um beurteilen zu können, was geändert werden sollte und was nicht.«
»Das weiß ich. Du hast nur noch nie von Veränderungen gesprochen, deshalb bin ich neugierig.«
»Ich hatte keinen Grund, darüber zu reden. Pa war nicht daran interessiert, was ich dachte oder was ich zu sagen hatte. Ich habe mich eingehend mit dem Thema beschäftigt«, fügte sie hinzu und schob die Hände in die Hosentaschen. »Ich war zwar im Gegensatz zu dir nicht auf dem College, aber deswegen bin ich noch lange nicht dumm.«
»Das habe ich auch nie behauptet. Ich wußte auch nicht, daß du gern ein College besucht hättest.«
»Spielt doch jetzt keine Rolle mehr.« Seufzend trat sie ans Fenster und blickte hinaus. Ein Sturm war im Anzug, stellte sie fest. Die ersten weißen Flocken da draußen bildeten nur den Anfang. »Was jetzt zählt, ist das Heute, das Morgen und das nächste Jahr. Der Winter ist die ideale Zeit, um Pläne zu machen, und damit fange ich jetzt an.« Sie machte sich steif, als er ihr die Hände auf die Schultern legte.
»Ganz ruhig. Ich falle schon nicht über dich her.« Ben drehte ihr Gesicht zu sich. »Falls es dir etwas bedeutet: Ich finde, du machst deine Sache ausgezeichnet.«
Es bedeutete ihr etwas, und diese Erkenntnis versetzte sie in Erstaunen. »Hoffentlich behältst du recht. Die ersten Geier haben sich bereits bei mir gemeldet.«
Er lächelte leicht. »Makler?«
»Diese Ratten lassen einfach nicht locker. Versprechen mir das Blaue vom
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