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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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eine Sonnenblume.«
    »Jetzt ist doch keine Sonnenblumenzeit, mein Freund, es ist fast Winter, falls du das vergessen hast.«
    »Das habe ich nicht vergessen. Sie kann sich doch eine Sonnenblume vorstellen. Erzähl mir noch mehr Neuigkeiten.«
    »Was für Neuigkeiten? Du weißt doch, hier passiert nichts. Du musst mir Neuigkeiten erzählen.«
    »Na ja«, sagte Lev, »ich hätte fast ein Konzert gehört.«
    »Fast gehört? Ist das eine neue grammatische Zeitform?«
    Lev erzählte es Rudi, und Rudi lachte so laut, dass Lora aufwachte, und Lev hörte Loras Stimme, die im Hintergrund sagte: »Was ist los?«
    »Nichts«, sagte Rudi zu ihr. »Ich höre nur gerade, wie Lev in London bleibenden Eindruck hinterlässt.«
    »Es ist drei Uhr morgens, Rudi«, sagte Lora.
    »Ich weiß«, sagte Rudi. »Komm, sag was zu Lev.«
    Lora nahm den Hörer und sagte: »Lev, wir vermissen dich. Maya auch. Sie hat Angst, dass sie dich nie mehr wiedersieht.«
    Lev schwieg einen Moment. Dann sagte er. »Das darf sie nicht denken, Lora. Ich werde ihr ein paar Spielsachen schicken.«
    Er träumte von einer Frau. Es war der erste Traum dieser Sorte, den Lev seit zwei Jahren hatte. Er lag mit einer wunderschönen Frau im Schnee und wickelte sie aus den Lumpen, in die sie gehüllt war, und diese Lumpen waren wie eine Haut, die sie abwarf, und darunter kam ein weicher, schimmernder Körper zum Vorschein. Er sagte zu ihr, er habe vergessen, wie man liebt, und sie sagte: »Nein, das glaube ich nicht eine Sekunde lang«, und sie legte eine Hand in seinen Nacken und zog ihn zu sich herab und küsste seinen Mund.
    Er wusste, dass er die Frau nicht bei ihrem Namen nennen durfte. Ihn laut zu sagen würde einen unausgesprochenen Bann brechen, ein schweigendes Einverständnis. Doch er wollte sie gerne mit Namen anreden, um sie auf diese Weise für sich wirklich werden zu lassen. Er dachte, er müsste ersticken, wenn er ihren Namen nicht sagte, aber er beherrschte sich und blieb stumm.
    Als er erwachte, klingelte sein Telefon. Es war Lydia.
    Sie sagte: »Lev, ich versuche sehr, Ihnen nicht böse zu sein, aber ich finde, Sie benehmen sich wirklich schlecht.«

8
Notwendige Schocks
    An einem irischen Stand in der Holloway Road kaufte Lev sich einen Anorak mit Vliesfutter und einer kunstpelzbesetzten Kapuze. Er zog ihn an, kaum dass er ihn bezahlt hatte, und spazierte warm und froh davon. Dann drehte er sich um, kehrte zu dem Stand zurück und kaufte einen zweiten, in Kindergröße, aber identisch mit dem seinen, und schickte ihn Maya. Er wusste, dass es ihm im Laufe des Winters zur Gewohnheit werden würde, sich Maya in ihrem kleinen identischen Anorak vorzustellen.
    Christy bewunderte das neue Stück. Er sagte: »Ich finde, er steht dir gut − und das sage ich absolut stocknüchtern.«
    Er versuchte jetzt meist nüchtern zu bleiben. Das Gericht hatte ihm »begleitete Besuche« seiner Tochter zugestanden, die zusammen mit Angela und ihrem Makler-Freund in einem ausgebauten Dachgeschoss in der Nähe der Farringdon Road wohnte.
    »Das Dumme ist: Die Begleitperson ist Angela«, sagte Christy. »Ich finde das unfair. Ich kann Frankie nicht ohne die Frau sehen, die sie mir weggenommen hat. Findest du das in Ordnung?«
    »Nein«, sagte Lev. »Vielleicht kann ich ›Begleitperson‹ sein?«
    »Schön wär’s. Aber sie haben gesagt, es muss die Mutter oder eine Sozialhelferin sein, jedenfalls eine Frau. Und außerdem hat Angela nie Lust, irgendwo hinzugehen. Ich wollte mit Frankie in den Zoo, aber dann hingen da drei Regentropfen in der Luft, und Angela sagt: ›Nein, wir werden klatschnass, wenn wir durch den Zoo laufen.‹ Dann hab’ ich einen Film vorgeschlagen.«Christy sprach das Wort wie Fillem aus. »Aber sie sagt: ›Kommt nicht infrage. Ich fahre nicht ins West End, das ist so hässlich da.‹ Also ist alles, was wir machen, ein bisschen malen oder mit Lego spielen. Und ich versuche, mit Frankie über die Schule oder ihre Freunde zu sprechen. Sie antwortet mit Ja-Nein, Ja-Nein, aber sie guckt mich dabei nicht an. Sie guckt runter auf ihre Legosteine oder hoch zu ihrer Mutter. Und das Licht in der Wohnung ist so grell, dass mir die Augen wehtun. Eine ganze Wand vom Wohnzimmer ist aus Glas, und über dem Kopf ist auch alles nur Glas, lauter verdammt riesige Scheiben. Weiß der Himmel, wie die geputzt werden, und weiß der Himmel, wie man da schläft, wenn der Regen draufprasselt und das Licht reinknallt. Ich würde da überhaupt nicht gern wohnen.«
    Als Lev

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