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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Wohnzimmer und setzte sich ans dunkle Fenster. Auf dem Handy wählte er die Nummer der Belisha Road, aber niemand nahm ab. Er fragte sich, ob Christy wohl noch im Bett oder in der Kneipe war. Bei dem Gedanken an Christys Geschenk für Frankie − das er zusammen mit seinen Lebensmitteln bei Sainsbury’s in Camden Town gekauft hatte − musste er lächeln: ein purpurrotes Ballettkleidchen mit einem paillettenbesetzten Oberteil und ein paillettenbesetzter Haarreif.
    Eine Weile rauchte Lev und starrte in die Nacht hinaus. Nur wenige Autos fuhren auf der Straße. Blaue Weihnachtsbaumlichter blinkten im Fenster gegenüber. Aus der Kneipe an der Ecke klang undeutlich Gelächter. Lev griff wieder nach seinem Handy. Seine Telefonrechnungen waren sehr hoch, aber er konnte sie bezahlen − so gerade eben. Er wählte Rudis Nummer.
    »Kamerad«, sagte Rudi, »Grüße von der Heimatfront. Ich fühle mich so was von scheißmarode! Aber kümmere dich nicht drum. Ina und Maya sind hier. Lora hat den griesgrämigen jungen Hahn von deiner Mutter gekocht, aber der war zäh. Die ganzen Monate die Hennen bumsen hat ihn fertig gemacht!«
    »Ja?«
    »Ja. Aber egal. Wir haben ihn runtergespült. Es war ein schöner Abend. Lora hat von einem ihrer Horoskopkunden Wein geschickt bekommen. Und der war verdammt gut. Red mit Maya ...«
    Es folgte eine lange Pause, dann hörte Lev die Stimme seiner Tochter.
    Sie klang sehr leise und weit weg.
    »Papa?«
    »Ja, ich bin’s, Papa. Wie geht es dir, meine Blume? Gefällt dir die neue Puppe?«
    »Ja«, sagte Maya.
    »Hast du dir schon einen Namen ausgedacht?«
    »Lili.«
    »Ja? Sie heißt Lili?«
    »Sie kann schlafen.«
    »Hast du sie lieb?«
    »Sie macht Pipi in ihre Windel.«
    »Stimmt. Musst du dann die Windel waschen und sie neu wickeln?«
    »Ja. Wann kommst du wieder, Papa?«
    »Bald. Du musst die Windel vorm Kamin trocknen. Aber pass auf, dass sie nicht anbrennt. Oma wird dir helfen ...«
    »Sie ist weg.« Das war jetzt Inas Stimme. »Alles, was sie wissen will, ist, wann du wiederkommst.«
    »Du kennst die Antwort darauf«, sagte Lev. »Sag ihr, ich komme zurück, wenn ich etwas Geld habe − oder ihr könnt hierherkommen ...«
    »Lev«, sagte Ina, »es ist Weihnachten.«
    »Ich weiß, dass Weihnachten ist. Ich wollte dir gerade ...«
    »Also verdirb es nicht damit, dass du vorschlägst, ich soll nach England kommen. Ich bin viel zu alt, um mein Land zu verlassen. Wenn du Maya bei dir haben möchtest, dann schick Geld und ich setze sie in einen Bus. Ich werde mich schon daran gewöhnen, hier ganz allein zu sein ...«
    »Mama ...«
    Lev schaute hoch. In einem Morgenmantel mit Schottenmuster stand Sophie in der Tür. Ihr Haar war noch ganz zerzaust vom Schlafen.
    Ina fuhr fort: »Ich lebe nun fast siebzig Jahre in Auror. Ich würde gern auch hier sterben.«
    »Keine Angst, Mama«, sagte Lev, griff nach seinem Zigarettenpäckchen und hielt es Sophie hin. »Niemand will dich aus Auror wegholen. Aber hast du denn meine Geschenke bekommen?«
    »Ja. Die Schere. Aber sie ist zu schwer.«
    »Zu schwer für deine Hand?«
    »Viel zu schwer. Ich bräuchte Männerkräfte, um sie zu benutzen.«
    »Oh«, sagte Lev.
    Sophie setzte sich neben ihn und steckte ihre Zigarette an.
    »Lev?«, sagte Ina. »Hast du gehört, was ich gesagt habe? Die Drahtschere ist zu schwer. Das ist Vergeudung von kostbarem Geld.«
    »Das macht nichts«, sagte Lev.
    »Das macht nichts? Wieso macht das nichts? Heißt das, du schwimmst jetzt in Geld?«
    »Nein ...«
    »Von der Arbeit in einer Küche?«
    »Nein.«
    »Was hast du denn dann gemeint?«
    »Ich versuche eine andere Schere zu finden − eine leichtere und kleinere.«
    »Das lohnt sich doch nicht. Ich kann mit den Geräten arbeiten, die ich habe.«
    »Aber du hast doch auch noch die Seife bekommen. Gefällt dir die denn?«
    »Sie sieht teuer aus.«
    »Nicht zu teuer. Aber gefällt dir, wie sie riecht?«
    »Ja.«
    »Na gut, Mama. Also ... fröhliche Weihnachten. Trägt Maya ihren Anorak?«
    »Ja. Aber weißt du was? Nachts weint sie. Sie sagt zu mir: ›IstPapa zu dem Ort gegangen, wo Mama schläft?‹«
    »Nein!«, schrie Lev. »Das will ich nicht! Lass nicht zu, dass sie das glaubt.«
    »Kinder glauben, was sie glauben wollen. Was kann ich machen?«
    »Erklär es ihr! Sag ihr, dass ich wiederkomme ... ganz bestimmt ...«
    »Wann? Wie kann ich ihr so was sagen, wenn ich nicht weiß, wann?«
    »Sobald ich genug Geld zusammenhabe. Um Himmels willen, das tue ich doch nur für euch

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