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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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tauschen!«
    »Ich will das Puder nicht«, sagte Berkeley.
    »Was tauschst du dann gegen das Nähzeug?«
    »Nichts. Mir gefällt das Nähzeug.«
    »Du bist doch ein Mann«, sagte Minty. »Männer können nicht nähen. Aber ein wunderhübscher delphinförmiger Schlüsselring ...«
    »Wenn man bei der Marine gewesen ist, kann man nähen«, sagte Berkeley. »Ich konnte schon nähen, als du noch gar nicht geboren warst.«
    »Ich bin bereit, dieses außerordentlich nützliche Bambi-Heftgerät gegen das Woods-of-Windsor-Talkumpuder zu tauschen«, hörte Lev Ruby sagen.
    »Niemand kriegt das verflixte Puder«, sagte Pansy.
    »Denk doch mal, was das Heftgerät alles kann«, sagte Ruby.
    »Zuallererst mal kann es Minty den Mund verschließen«, sagte Berkeley.
    Allgemeines Gelächter setzte ein, als Ruby fragte: »Würdestdu das Bambi-Heftgerät dem Nähzeug vorziehen, Berkeley?«
    »Nein, verdammt, auf gar keinen Fall. Ich kann alle meine Taschen damit stopfen.«
    »Du meinst, noch geiziger werden, als du so schon bist?«
    »Halt den Mund, verdammt.«
    »Nicht diese Wörter ...«, sagte Mrs. McNaughton.
    »Ich stecke das Puder in meine Tasche.«
    »Ich gebe das verdammte Nähzeug nicht her.«
    »Ich kann mit dem Heftgerät nichts anfangen.«
    »Was soll ein Schlüsselring, wenn man kein Auto mehr hat?«
    »Dieser Polarbärwitz war sowieso Mist.«
    »Somewhere over the rainbow ...«
    Sie unterbrachen ihren Streit. Sophie war zurückgekehrt, hatte ihre Gitarre genommen und zu singen begonnen.
    »... Way up high ...«
    Die Bewohner von Ferndale Heights legten ihre Knallergeschenke weg und schienen sie auf der Stelle zu vergessen. Sie versuchten, ihr Zittern und Husten zu bändigen und das Grummeln in ihren Mägen zu unterdrücken.
    »... There’s a land that I heard of ...«
    Mrs. McNaughton faltete die Hände über der Brust.
    »... Once in a lullaby ...«
    Lev stand da, hielt die Asti-Flasche in der Hand und sah, wie alle Augen sich auf die Sängerin richteten. Sophies Stimme klang unangestrengt, melodisch. Und er dachte, dass das Erste, was einem auffiel, wenn man sie anschaute, ihre Weichheit war und ihr mädchenhaftes Grübchenlächeln, und wenn man sie dann besser kennenlernte, begann man ihre Zuversicht zu schätzen.
    Als das Lied zu Ende war, trocknete Berkeley Brotherton sich, ebenso wie Ruby Constad, die Augen mit einer Serviette. Dann stand Minty auf. Die Wangen glühend vom Wein, die blau geäderten Hände geschmückt mit funkelnden Diamanten,den Trophäen ihrer vergangenen Schönheit, begann sie mit zittrigem Sopran zu singen:
    »Some enchanted evening,
    You may see a stranger,
    You may see a stranger
    Across a crowded room ...«
    Fast alle schienen das Lied zu kennen, und sie begannen mitzusingen, wiegten sich zur Melodie, bewegten die Arme hin und her und versuchten, nicht aus dem Takt zu geraten.
    Es war dunkel, als Lev und Sophie Ferndale Heights verließen. Auf dem Weg zur U-Bahn sagte Sophie: »Ich mag gar nicht daran denken, dass sie nachts ganz allein daliegen.«
    »Ich weiß«, sagte Lev. »Aber es ging gut. Essen gut.«
    »Essen sehr gut. Alle haben es genossen.«
    »Douglas wurde schlecht.«
    »Ach, er hat einfach nur zu viel gegessen. Er hat sich eine riesige zweite Portion genommen. Sagte, so eine gute Brotsoße habe er zuletzt 1957 gegessen.«
    Lev lächelte, während sie weiterliefen. »Du singst schön«, sagte er. »Und Ruby, sie mag dich so sehr.«
    »Sie hatte ein schwieriges Leben«, sagte Sophie. »Ihr Mann hat sie wegen einer anderen verlassen. Dann starb er. Da war sie um die fünfzig. Und seitdem ist sie allein. Ihre Kinder sieht sie fast nie.«
    »Sie kommen nicht besuchen?«
    »Hin und wieder. Egoistische Miststücke. Vielleicht einmal im Jahr. Weißt du, dass sie mir hundert Pfund geschenkt hat?«
    Lev legte den Arm um Sophie und drückte sie fest an sich. »Wir können einkaufen gehen«, sagte er. »Schönes Kleid für dich kaufen.«
    »Nein«, sagte sie. »Ich werde es sparen. Auf jeden Fall. Ich spare es wie ein kleines Eichhörnchen.«Als sie wieder in Sophies Wohnung waren, legten sie sich ins Bett und schliefen. Sophie hatte Lev den Rücken zugekehrt, und sein Arm lag an ihrem Schenkel.
    Still näherte sich der Abend.
    Es war gegen acht Uhr, als Lev erwachte. Er sah zu Sophie hinüber. Plötzlich ging ihm auf, wie seltsam und bezaubernd es war, dass junge Frauen offenbar ohne das geringste Geräusch schlafen konnten.
    Er zog sich an, steckte sich eine Zigarette an, ging ins

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