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Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Titel: Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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moderiert, Interviews gemacht und kleine Filme für das monatliche Kulturmagazin des Literaturredakteurs gedreht. Sie war, als die Einladung kam, geradezu zum Fest des Senders geflohen, denn ihre dritte Ehe ging soeben in die Brüche, ihr Hund war gestorben und ihre Mutter hatte einen Besuch angekündigt. Sie war dem Sender in einer Art Haßliebe verbunden, die aber unter anderen Umständen als diesen nie ausgereicht hätte, sie zu seinem Geburtstag zu locken.
    Sie fuhren im heißen Kleinbus durch die idyllische Stadt in Richtung Sender. Die Autos parkten bereits zwei Kilometer vorher in dichten Reihen. Um den Sender herum waren die Straßen gesperrt, Polizisten mit roten Armbinden und roten Gesichtern winkten Autofahrer energisch weiter und ließen nur die vom Sender gezeichneten Kleinbusse durch. Sie konnten passieren, vorbei am VIP-Zelt, an Würstchenbuden und Info-Ständen, und sie sahen drei Meter hohe Stelzenläufer, die King Kong, Charlie Chaplin und einen Saurier darstellten. »Die sind vom Europapark«, erklärte ihnen der Fahrer, »der sponsert das Fest, der Sender könnte so was gar nicht bezahlen.«
    Vor dem Sender wehten Fahnen: »Sender zum Anfassen« stand darauf, und ihnen schauderte. Am Eingang zum Sender empfing sie Frau Dr. Schreiber-Kern, die Kulturredakteurin, sehr aufgeregt und in festlichem Schwarz. Sie steckte jedem von ihnen ein Schildchen mit dem Namen in klein und dem Namen des Senders in groß an die Jacke. Der Name »Zander« war in »Sander« abgewandelt, dafür wurde der Dichter Donner zu »Dr. Donner« erhoben.
    »Das kann ja was werden«, knurrte Dr. Gauselmann und stellte seine junge Freundin vor: »Das ist Jessica.« »Wir brauchen für Jessica noch einen Passierschein«, sagte die Kulturredakteurin unglücklich, »o Gott, wo soll ich den nur herkriegen.« Sie verschwand mit Jessica in einem langen Gang und rief den dreien tröstend zu: »Geht schon mal zu Studio drei in die Kulturecke. Ich komm gleich. Ich hab in einer Kühltasche fünf Flaschen Chardonnay, die trinken wir dann!« »Wann, dann?« knurrte Albrecht Donner und blickte mürrisch zu King Kong, dem Saurier und Charlie Chaplin hoch. Die enteilende Kulturredakteurin sah diesen Blick noch und rief beschwörend: »Hauptsache, die Kultur ist auch vertreten!«
    Die Kultur, das waren Dr. Gauselmann, Albrecht Donner und Klara Zander, die zusammen auf zwölf veröffentlichte Bücher und fünf Scheidungen kamen. Sie kannten sich sehr gut, hatten alle drei auf die eine oder andere Weise schon eine kleine Affäre miteinander gehabt, waren Freunde geblieben, sahen sich oft jahrelang nicht, blieben einander aber vertraut. Sie hatten ihre Erfolge und Mißerfolge, ihre Scheidungen, die Konfirmationen der Kinder und den Niedergang des Senders miteinander erlebt. Der einzige, der noch für den Sender arbeitete und daher wußte, was vor sich ging hinter den Mauern der »Anstalt«, wie sie ihn nannten, war Albrecht Donner, und er erzählte jetzt von dem gemeinsamen Freund Hanno Seebacher, der wegen seiner Schlafmützigkeit von den Aktuellen versetzt worden sei in die Nachrufeabteilung. Da mußte er nun Tag für Tag die Nachrufe moribunder Prominenter auf Vordermann bringen. Wenn plötzlich Madonna oder Steffi Graf sterben würden, käme er in ernstliche Schwierigkeiten, aber die Nachrufe auf den Papst oder auf Fidel Castro, sogar auf Helmut Kohl, Inge Meysel und Günter Grass – die lagen fix und fertig da und er mußte im Ernstfall nur noch das entsprechende Datum einsetzen. Ärgerlich war, wenn einem hochbetagten Prominenten irgend etwas Außergewöhnliches zustieß – Tod durch Attentat, der Nobelpreis oder ein schrecklicher Unfall –, dann mußte Seebacher alles noch mal neu schreiben und aus dem Archiv andere Bilder besorgen. Aber sonst, »er ist voll auf dem laufenden«, sagte Albrecht Donner. »Ich habe ihm angeboten, meinen Nachruf selbst zu verfassen.«
    »Fabelhaft«, sagte Gauselmann, »das mach ich auch«, und Donner antwortete: »Wer will denn auf dich einen Nachruf?«
    Klara Zander erinnerte sich an eine Livesendung von Gauselmann, die so katastrophal gelaufen war, daß sie mittendrin ausgeblendet und unter Vortäuschung einer »Tonstörung« durch einen andern Beitrag ersetzt worden war. Das war viele Jahre her, aber in ihr stieg wieder ein Lachen hoch, als sie daran dachte, wie vier Schriftsteller über das Thema »Sexualität und Literatur« reden sollten, und wie Gauselmann, fahrig, nervös und unvorbereitet auf das,

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