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Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Titel: Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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entscheiden. Als Wenzels Vater gestorben war, sind wir ja ein paar Monate später auch mit vier Mann nachts über die Friedhofsmauer geklettert und haben den toten Dackel in sein Grab gelegt, zu seinen Füßen, wo er zu beider Lebzeiten schließlich auch immer geschlafen hatte. Und nach dem Tod von Rudi Kummer – Rudi, der uns jahrelang über LSD, seinen LiteraturSchnellDienst, mit Poesie versorgt hatte, waren wir auch nachts hingegangen und hatten ihm den Grabstein mit dem Spruch gesetzt, den er sich gewünscht hatte und den eine deutsche Friedhofsverwaltung nie genehmigt hätte: »Weh, unser guter Rudi ist tot. Wer trägt nun die brennende Fahne im Wolkenschopf zum täglichen Schnippchenschlagen?«
    Rudi war als erster von uns gestorben, einen langen Lungenkrebstod. Eine Woche vor seinem Tod wurde sein Sohn geboren, den er nach dem biblischen Kain nannte, damit er den schönen Namen Kain Kummer tragen würde. Mit Janni hatte Rudi einen unehelichen Sohn, der Drusius Ingomar hieß, damit er, falls nichts aus ihm würde, doch wenigstens seinen Namen mit Dr. Ing. abkürzen könnte. Ich hoffte, Rudi eines Tages dort drüben wiederzutreffen, er fehlte mir sehr, und vielleicht hätte er bis dahin ja schon Robert Musil im Paradies getroffen und endlich mit ihm das »Weltsekretariat für die Genauigkeit der Seele« gegründet, und ich könnte Chefsekretärin werden und wäre gerettet.
    Schmittchen fluchte über seine neuerliche Begegnung mit der Polizei. Er hatte gerade vor einer Woche schon mal mit den grünen Männern zu tun gehabt – als er in seinem Laden hinten auf einem Notbett übernachtet hatte. Das machte er manchmal, wenn er zu betrunken war, um in der Nacht noch nach Hause zu fahren. Er hatte mitten in der Nacht ein Geräusch gehört, seine Pistole, die er natürlich illegal besaß, gezückt und war nach vorne gegangen. Zwei Junkies waren beim Anblick der Kanone so erschrocken, daß sie sofort das Weite suchten. Weil aber die Schaufensterscheibe eingedrückt war, rief Schmittchen versicherungshalber die Polizei, die kam, den Fall notierte und dummerweise die armen Junkies tatsächlich noch in derselben Nacht schnappte. Und die sagten aus, sie wären mit einer Pistole bedroht worden. Jetzt war Schmittchen dran, illegaler Waffenbesitz, aber er behauptete, er hätte bloß »Buh!« gemacht. Die Pistole lag natürlich längst bei Fritz in der Kasse, eine Durchsuchung im Salon hatte nichts gebracht. Doch die dämlichen Junkies beharrten auf der Pistole, und nun müsse er eine Aussage machen.
    Wir rieten ihm, zu sagen, daß es ein Fön gewesen war, ein schwarzer Fön, jeder Friseur hat einen schwarzen Fön, und jeder blöde Junkie hält doch jeden Fön für eine Pistole. Schmittchen leuchtete diese Version sofort ein und er genehmigte sich einen großen Wodka, und dann sagte er tieftraurig: »Geht nicht, meine Föne sind alle rosa.«
    »Dann kauf ich dir morgen früh sofort ein paar schwarze«, sagte Karl großzügig, und die Sache war geregelt.
    Immer wieder stieß Schmittchen, wenn er betrunken war, mit der Polizei zusammen – einmal war ich dabeigewesen, nach einem Rockkonzert in Fulda. Wir fuhren im Zug nach Hause, zum Glück ziemlich langsam, und Schmittchen hatte auf freier Strecke die Notbremse gezogen und befohlen, das Zugpersonal auszuwechseln, weil ihm die Strecke nicht gefiel. Aber Haareschneiden, das konnte er, allerdings mußte man aufpassen, daß er dabei seine Brille trug, was er an manchen Tagen aus Eitelkeit unterließ, dann war es besser, auf das Schneiden zu verzichten und nur waschen und legen zu lassen.
    Wir redeten über Öcalan und die Todesstrafe. Keiner von uns war dafür, im Fall Öcalan sowieso nicht, aber auch generell nicht, doch, Schmittchen forderte heute abend natürlich die Köpfe aller Politessen weltweit.
    Huberti erzählte von einem Mann, der in Utah zum Tode verurteilt worden war und sich als Henkersmahlzeit Pizza und Coca-Cola gewünscht hatte. Sie brachten ihm Pepsi, und er tobte vor Zorn – sein ganzes Leben lang hatte er Pepsi-Cola abgrundtief verachtet, und nun dies. Ein vollkommen verpfuschtes Leben. Und dann wollte er noch eine letzte Pall Mall rauchen. Aber das ›Reine-Luft-Gesetz‹ des Staates Utah verbot das Rauchen in allen öffentlichen Gebäuden, auch in Gefängnissen. Der Direktor hatte ein Einsehen und ließ ihn auf dem Weg von der Zelle zur Exekution – als schon ›dead man walking‹ angesagt war – im Hof ein paar letzte Züge nehmen. Wir tranken eine Runde

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