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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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wieder traf er die Luft, dann hielt er inne, senkte den Kopf, so als lausche er, als warte er auf Eingebung. Sheikh Abdullah ließ von ihm ab. Vielleicht war der Sturm verflogen, und er könnte sich gleich verabschieden. Nein, der Bashibazuk stürzte sich auf die nächste Tür, brach sie mit der Schulter auf und torkelte in einen Raum, in dem, wie ein halber Mond ausreichend erhellte, zwei ältere Frauen neben ihren Männern auf dem Boden schliefen. Sie wachten auf, und wer weiß, was sie zu erblicken glaubten, aber was immer es auch war, sie zeigten sich keineswegs eingeschüchtert, sie wehrten sich – während sie sich aufrichteten – mit einem Hagel wildester Beschimpfungen, die selbst einen albanischen Offizier von den irregulären Truppen beeindruckten. Er trat einen geordneten Rückzug vor den Zungen dieser grummelnden Frauen an, er taumelte die enge Treppe hinunter und fiel über den eingemummelten Nachtwächter, dessen Schnarchen in ein Kreischen überging. Unter den Dienern, die im Hof schliefen, und die sich nun alle regten, war auch der Gehilfe von Ali Agha, ein jüngerer, stämmiger Albaner, der den Sheikh um Hilfe bat, seinen Herrn in dessen Zimmer zurückzubringen. Doch der Bashibazuk war nicht zu beruhigen, er trat und spuckte und schlug um sich und schrie … Ihr Hunde, ich habe euch entehrt! … bis weitere Diener seine Glieder fest packten. Sie trugen ihn die Treppen hinauf, schleppten ihn in sein Zimmer, beobachtet von allen Bewohnern der Karawanserei, die aus ihren Zimmern geschlüpft waren, beunruhigt, neugierig, und nun den Flüchen des besoffenen Albaners ausgesetzt: Ihr Ägypter! Ihr seid ein Geschlecht von Hunden! Ich habe euch entehrt, ich habe Alexandria, Kairo und Suez entehrt! Das waren seine letzten Worte, bevor er, kaum lag er auf seinem Bett, in einen tiefen Schlaf fiel. In dem Gerangel hatte einer der Helfer die Flasche Raki umgestoßen, und die erleichterten Diener mußten, barfüßig, wie sie waren, durch den nassen Gestank aus dem Zimmer tapsen. Sheikh Abdullah hob das Flakon auf, spritzte eine starke Dosis auf Bett und Boden und überreichte es draußen vor der Tür dem Diener von Ali Agha. Um die Spuren zu verschleiern, sagte er. Als er sich in sein Zimmer zurückzog, sah er, auf der anderenSeite der Galerie, Hadji Wali mit einer Lampe in der Hand, der ihn lange anblickte. Nicht vorwurfsvoll, wie er erwartet hätte. Enttäuscht nur, und mit dem traurigsten Blick Kairos.
     
     
     
    Im Monat von Safar des Jahres 1273
    Möge Gott uns seine Gunst und Gnade erfahren lassen
     
    HADJI WALI Ich konnte meinem irregeleiteten Freund nur noch einen Ratschlag geben: Brich sofort zur Hadj auf. Ich wußte zu gut, was folgen würde. Die ganze Karawanserei würde nur noch über diese Nacht reden, über den albanischen Bashibazuk, der an Bösartigkeit seinesgleichen suchte, und über den indischen Arzt, der sich als maßloser Heuchler entlarvt hatte. Niemand würde sich daran erinnern, daß dieser fremde Arzt so viele geheilt hatte, ohne etwas dafür in Rechnung zu stellen. Sein Ruf war zerstört. Wäre er in Kairo geblieben, er hätte in ein anderes Viertel ziehen müssen. Wer kann das verstehen? Ein so guter Mensch. Und trotzdem, als ihn der Teufel belog, hat er Ehre und Leumund weggeworfen für einige Becher Alkohol mit einem verrückten Albaner. Was für eine Verschwendung!
     
    KADI: Das sagt uns wohl genug. Widerlich. Aber wenn der geschätzte Gouverneur der Ansicht ist, solch abscheuliche Lektüre diene der Wahrheitsfindung. Weitere Beweise benötigen wir wohl nicht – sein Glaube war reine Maskerade.
    GOUVERNEUR: Wenn jeder, der gelegentlich trinkt, von dem wahren Glauben ausgeschlossen wird, dann dürfte die Gemeinschaft der Gläubigen sehr klein werden.
    KADI: Lautet so heutzutage die offizielle Position des Kalifats? Sultan Abdulmecid, so ist zu hören, liebt das rote Gift aus Frankreich.
    GOUVERNEUR: Ich spreche von den Tatsachen. Selbst hier in der Gesegneten Stadt, habe ich mir sagen lassen, wird Raki zum Verkauf angeboten.
    SHARIF: Wie sollen wir das verhindern? Die Strafen …
    KADI: … werden nicht konsequent durchgesetzt.
     
    HADJI WALI Ja, es stimmt, ich habe ihm davon abgeraten, sich als Perser auszugeben, überall würde ihm Verachtung entgegenschlagen, und im Hijaz würden sie ihn vielleicht verprügeln oder gar töten. Er hat meinen Rat sehr bereitwillig befolgt, gewiß, aber folgt daraus, daß er nicht jener war, der er vorgab zu sein? Obwohl, es wurde mir

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