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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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ich euch später noch etwas sagen muß, sie waren mit Schlangenhaut zusammengebunden, diese Ziegenhörner, und mit kleinen eisernen Glocken verziert. Er packtedie Hörner an der Spitze und schwang sie im Kreis, er richtete sie gegen Bwana Burton, er richtete sie auf mich, er richtete sie auf die Träger und auf die Belutschen, und ich konnte nichts anderes sehen als diese Hörner, die vor meinen Augen tanzten, und nichts anderes hören als das Murmeln und das Flüstern und das Spucken des Mganga, der seinen Oberkörper hin und her wiegte, der die Hörner schneller und schneller schüttelte, und die Glocken erklangen immer lauter. Ich zitterte. Später erfuhr ich, die anderen haben auch gezittert, auch sie waren wie gelähmt. Hätte der Mganga seine Hand ausgestreckt, ich wäre ihm gefolgt. Ich spürte, er stand mit den Geistern im Einklang, er war verbunden mit den Geistern der Vorfahren, und in mir war ein Schmerz, als würden vergessene Vorfahren mein Herz aus mir herausschneiden, der Mganga stand in Verbindung, dachte ich, mit dem Geist seines Vaters und mit dem Geist seines Großvaters, und ich wußte nicht einmal, wie mein Vater und mein Großvater aussahen, wie ihre Stimmen klangen. Öffne mich, flehte ich ihn stumm an, zeige mir den Weg zurück. Aber der Mganga war fertig, er riß seine Augen auf, räudigere Augen habt ihr nie gesehen, nur ein Narr hätte keine Angst empfunden vor den Geheimnissen, die hinter diesen Augen glühten. Er drehte sich zur Seite und sprach sein Urteil, und es klang wie das Wort eines heiligen Mannes: Wir hätten Feinde, aber unsere Feinde seien nicht mächtiger als wir, sie seien nicht entschlossener als wir. Unsere Reise werde erfolgreich verlaufen. Wir atmeten auf, langsam, als sei noch nicht sicher, ob wir uns diesen Atemzug erlauben durften. Es werde viel Streit, aber wenig Morden geben. Wir würden eine große Menge an Elfenbein einfahren. Wir würden zurückkehren zu Frau und Familie. Unter jenen, die keine Frau hätten, werde einer seine Frau auf dieser Reise finden, ein anderer werde die Treue einer Wartenden belohnen, und ein Dritter werde die Frau verlassen, die ihm geschenkt werden würde. Bevor wir uns auf einen großen, tiefen See wagten, sollten wir ein farbiges Huhn opfern. Das war eine leichte Aufgabe, die Aussichten waren beruhigend, wir waren erleichtert und beglückt.
    – Und der Sack, was war mit dem Sack?
    – Es war ein Jutesack, wie sie ihn verwenden für Reis oder Gewürze,ein Jutesack aus Sansibar, auf dem ein Name geschrieben stand, der Name eines der größten Händler dieser Stadt, ihr kennt ihn alle, es war der Name des Banyan, der mich als Junge auf dem Sklavenmarkt für einige Münzen erworben hatte.
    – Du bist an diesem Tag von Dschinns überwältigt worden, Baba Sidi. Deine Gebete in der Zeit danach haben deinen Verstand wieder befreit.
    – Ich habe danach nie mehr wieder gebetet, nicht so, wie du das Gebet verstehst.
    – Wie es vorgeschrieben ist!
    – Mir nicht, das habe ich erkannt, als der Mganga die Hörner in meine Richtung schüttelte. Ich unterwerfe mich Gott, ja, aber die fünf Gebete, sie sind nicht mir vorgeschrieben worden. Vielleicht dir, Baba Quddus, vielleicht den Arabern, aber nicht mir. Ich habe Vorfahren, und sie heißen nicht Mohammed und nicht Abu Bakr und nicht einmal Bilal, ich habe andere Vorfahren, nur weiß ich nicht, wie sie heißen. Der rechte Glaube, er kann mir die Namen meiner Vorfahren nicht nennen. Er ist machtlos. Der rechte Glaube, er verspricht mir ein besseres Morgen, aber ich will den Weg ins Gestern finden. Der rechte Glaube, er behauptet, es gebe nur eine Richtung, die Richtung gegen Mekka, weil es nur einen Mittelpunkt gebe, den Allmächtigen, aber in den Augen des Mganga habe ich eine andere Richtung gesehen, viele andere Richtungen, und du hast recht, mein Verstand war vielleicht benommen, mein Herz aber war befreit.
    – Wenn das Herz weint, weil es etwas verloren hat, lacht der Geist, weil er es gefunden hat. Ein altes arabisches Sprichwort.
    – Deswegen, Bruder, deswegen scheust du selbst am Freitag die Gemeinschaft des Gebetes. Du hast es uns noch nie so deutlich erklärt.
    – Heute abend muß ich euch einiges sagen, was ich bislang verschwiegen habe, weil es wichtig ist, wenn auch traurig und ernst.
    – Sei mir nicht böse, Baba Sidi, ich werde weiterhin für dich beten. Gott soll entscheiden, was wir nicht klären können.
    – Betet im stillen, soviel ihr wollt. Aber in den Senken zwischen den

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