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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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dem Ende zu. Sie müssen es nur bis nach Kazeh schaffen. Von dort aus wird er Nachschub von der Küste ordern können. Er hätte tausend Träger mitnehmen müssen, um die Erwartungen an seine Großzügigkeit zu befriedigen. Es ist widerwärtig, diesen Parasiten so viel in den Rachen schieben zu müssen. Sie knechten ihre eigene Bevölkerung. Wenn es um ihre Finanzen schlecht bestellt ist, organisieren sie Überfälle auf benachbarte Völker, entführen deren Kinder und deren Frauen und verkaufen diese an die nächste Sklavenkarawane – der Preis wird als Mehrwert auf die Hongo-Steuer geschlagen. Ihre eigenen Untertanen dürfen sie nur bei Ehebruch als Sklaven verkaufen oder bei Schwarzer Magie, je nach Schwere des Vergehens. Der Mganga allein entscheidet über Schuld oder Unschuld, meist durch eine Probe mit kochendem Wasser. Wenn die eingetauchte Hand Wunden aufweist, ist das Verbrechen bewiesen. Entlarvte Hexen werden umgehend verbrannt. Mehrmals sind sie an Aschehäuflein vorbeigekommen, geschwärzte Menschenknochen und einige Stücke halbverglühter Holzkohle. Auch das ist Hongo, bezahlt von den Unglücklichen, die in diesen unseligen Breiten leben müssen. Weiter. Sie müssen alles Hongo überstehen, um Kazeh zu erreichen.
     
     
     
    SIDI MUBARAK BOMBAY
    Nichts war Bwana Speke wichtiger als seine Gewehre. Jeden Abend säuberte er sie, fettete sie ein, er behandelte sie liebevoller als die Lasttiere. Am Tage gab er das Gewehr nie aus der Hand, er hielt immer nur nach dem einen Ausschau. Während manche von uns auf den Weg achteten, auf den Himmel, auf die Frauen am Wegrand oder auf die Wurzeln über dem Boden, spähte Bwana Speke nur nach Tieren. Plötzlich hörten wir einen Schuß, und wenn wir uns schnell genug umdrehten, sahen wir einen Vogel vom Himmel fallen oder eine Antilope durch den Busch brechen. Es geschah einige Male am Tage und wir gewöhnten uns daran, es war wie selbstverständlich. Bwana Speke bereitete sich nicht vor, er pirschte sichnicht heran, er entfernte sich höchstens wenn nötig einige Schritte vom Pfad und schoß. Und er traf immer. Vereinzelte Beute zuerst, bis wir in das Land der vielen, vielen Tiere kamen, wir durchquerten dieses Land, wir durchliefen es, und wir ließen ein Land der vielen toten Tiere hinter uns.
    – Wie das?
    – Du willst ein Rätsel mit uns teilen?
    – Kein Rätsel, meine Freunde, oder vielleicht doch ein Rätsel, ein Rätsel über das, was der Mensch ist, und das, was der Mensch tut.
    – Das Rätsel wird schwieriger.
    – Meine Brüder, die meisten von euch wissen nichts über das Jagen. Ihr habt Sansibar nicht verlassen, und in Sansibar streifen die wilden Tiere durch die Luft. Ihr seid Meister des Fischens, aber Fischen ist nicht Jagen. Wenn die Zanzibari etwas jagen, dann die Affen von ihren Feldern. Meine Vorfahren, sie waren Meister der Jagd, sie haben gejagt mit Geduld, denn der Wald gibt nur dem geduldigen Jäger, und mit Waffen, die nicht schärfer waren als die Zähne der wilden Tiere. Sie waren andächtig, bevor sie auf die Jagd gingen, und sie waren andächtig, nachdem sie von der Jagd zurückgekommen waren. Wenn sie eine große Antilope erlegen konnten, war das Fest in unserem Dorf groß. Solche Jäger waren meine Vorfahren, und die Brüder, die ich in meinem ersten Leben hatte, sie sind bis zum heutigen Tag solche Jäger, dessen bin ich mir sicher.
    – Bestimmt, Baba Sidi, bestimmt. Was hast du vor? Willst du uns Graubärtige noch zu Jägern erziehen?
    – Ich bin ganz froh, nichts über die Jagd wissen zu müssen. Kennt ihr die Geschichte, wie der Hodja zur Löwenjagd geschickt wird, und als er zurückkehrt, strahlt er, also fragen sie ihn, wie viele Löwen hast du getötet, und er antwortet: keinen einzigen. Wie vielen bist du nachgejagt, fragen sie weiter, und er antwortet: keinem einzigen. Wie viele hast du gesehen, setzen sie nach, und er antwortet: keinen einzigen. Wieso bist du dann so fröhlich, fragen sie, und er antwortet: Wenn du auf Löwenjagd gehst, ist kein einziger mehr als genug.
    – Oh, Baba Ibrahim, oh oh, das ist gut, ich hatte diese Geschichte vergessen, sie ist wunderbar.
    – Hört mir zu, und laßt den Hodja mal Hodja sein. Als wir die Savanne erreichten, wo sich die Herden über die Ebene erstreckten wie ein Teppich, hätte ich fast meine Zunge verschluckt. Bwana Speke forderte mich auf, ihn zu begleiten, und wir trotteten über die Ebene, bis er einen geeigneten Platz ausfindig gemacht hatte, eine Kopje zum Beispiel,

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