Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
Vom Netzwerk:
Amir behauptet, hohe, fruchttragende Palmen mit gebündelten Wedeln über einem dünnen, schnurgeraden Stamm. Es war ein idyllisches Bild, belebt von unbekümmerten Vögeln, über und auf dem Wasser, auf Ästen und Zweigen. Der wunderbare Flug der Milane, die zirkelgenau durch die Luft kreisten; die geselligen Pelikane, wie zu einer Gartenparty versammelt, jeder Schnabel nach unten gesenkt und jeder Kopf nach links gedreht; die Eisvögel, die sich senkrecht ins Wasser stürzten und genauso senkrecht wieder hochschossen, im Schnabel ein Fisch; die Goliathreiher, die von den Felsgesteinen in der Flußmitte aus auf ihre Beute lauerten, regungslos.
    Schreie von Stummelaffen. Nicht weit entfernt. Es klingt nicht freundlich. Speke schaut in die Höhe, als könnte das wenige durchsickernde Licht sein Leiden mildern. Er scheint sich ein Trachom eingefangen zu haben. Die Bindehaut ist entzündet, die Augenlider stark geschwollen, vor allem das linke. Er kann das Auge nicht richtig schließen. Seitdem er kaum noch etwas sehen kann, sucht er Burtons Nähe, akzeptiert wortlos seine Führung. Im Sumpf hat er einige Male nach ihm gefaßt, hat sich an einem ausgebeulten Ende seines Hemdes festgekrallt, ist ausgerutscht, als Burton ausrutschte, ist hingefallen, als dieser hinfiel. Vor einigen Tagen, als Burton sich über seinen schnöseligen Kompagnon geärgert hatte, wünschte er sich, Speke möge an dieser Wildnis zerbrechen, er möge seine Selbstkontrolle verlieren und mit ihr seine hochherrschaftliche Fasson, seine vornehmen Manieren. In dem Dorf, in dem der Führer bei seiner Frau zurückblieb, war ihnen ein alter Mann über den Weg gelaufen, der blind war, beide Augenlider nach innen gewachsen, die Hornhaut vernarbt, die Iris verloren in einem durchröteten Wattebausch. Burton hat in die verdorbenen Augen hineingestarrt, er konnte sich nicht von ihnen losreißen. Er hat sich geschämt, weil er gelegentlich des Sehens überdrüssig wurde, und er widerrief seine Vermaledeiung: Spekes Augen mögen gesunden.
    Die Müdigkeit, die er spürt; wenn er sich für einen Augenblick entspannen würde, er würde auf der Stelle einschlafen. Er duckt sich unter einer Weide, er klettert über einen morschen Baum, der vor einiger Zeit eingesackt sein muß. Er blickt nach vorne. So groß istdieser Fluß nicht. Dieses Binnendelta muß doch irgendwann enden. Keine fünf Meter entfernt, wie durch ein gewölbtes Fenster im dichten Bewuchs, springt ein gewaltiger, dunkler Pavian über den Wasserlauf, ohne einen Laut, wie verlangsamt aufgrund der Stille. Burton hält und bedeutet den anderen, sich nicht zu bewegen. Eine Pavianmutter folgt, an die sich ein Kleines krallt, einige andere Kleine, und dahinter ein Pavian nach dem anderen, eine vielzählige Schar, die, ohne das leiseste Knacken zu verursachen, ohne sich umzublicken, so als existierten die Menschen in ihrer Nähe nicht, durch die umrankte Öffnung huscht, in großer Eile. Burton ist in Bann geschlagen von diesem Interludium, eine reine Bewegung, vielleicht ein Zeichen, gewiß ein Zeichen. Den Affen folgen. Sie sollten den Affen folgen. Er gibt die Order aus. Keine halbe Stunde später stehen sie an einer Böschung, unter ihnen ein breiter, ruhig dahingleitender Fluß.
     
     
     
    SIDI MUBARAK BOMBAY
    Die lange Rast in Kazeh, meine Freunde, sie hatte den Wazungu Linderung verschafft, sie hatte ihnen neue Kraft gegeben, aber sie hatte sie nicht wirklich geheilt. Sie gewannen genug Kraft, um die Reise zu überstehen, doch sie reichte nicht aus, um gesund zu werden. Im Sumpf kehrte das Fieber zurück, und Bwana Burton, er wurde von den Fängen dieses Fiebers so übel zugerichtet, er schwankte zwischen Schweißausbrüchen und Schüttelfrost, er übergab sich, immer wieder, und gelegentlich fiel er in einen Wahn, in dem ihm die Dschinns mehr bösen Sinn einflüsterten als einem Säufer im Rausch, er konnte seine Beine, seine von Geschwüren befallenen Beine, nicht mehr fühlen, er war gelähmt. Ich habe keine Muskeln mehr, sagte er leise, fast ohne seine Lippen zu bewegen, seine von Pusteln übersäten Lippen. Seine Augen waren blutunterlaufen, als sei die Abendsonne zerschlagen worden wie ein Ei, sie brannten, und er klagte und klagte, er halte den schrillen Ton in seinen Ohren nicht aus, der sich dem Heilmittel der Wazungu verdankte, ein Heilmittel namens Chinin, das ihn quälte, aber ohne dieses Chinin, sagteer, wäre er schon längst tot. Er war voller Schmerz, und doch hat ihm nichts so weh

Weitere Kostenlose Bücher