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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Dorf.
    – Hast du das mit eigenen Augen gesehen, Baba Ishmail?
    – Nein.
    – Dann ist diese Geschichte vielleicht nicht wahr?
    – Glaubst du, ich könnte so eine Geschichte erfinden? Ich habe den Mann mit eigenen Augen gesehen, und ich schwöre euch, seine Nase, seine Hände und seine Zunge waren nicht nachgewachsen.
    – Ich werde euch sagen, was ich selbst erlebt habe, obwohl es schmerzt, darüber zu reden, und es schmerzt, davon zu hören, aber wenn ich es schon nicht vergessen kann, kann ich wenigstens davon erzählen. Wir lagerten neben den Sklavenhändlern, die Wazungu hatten keine Bedenken, die Nachbarschaft des Teufels aufzusuchen, und in der Nacht hörten wir einen Schuß, und am nächsten Morgen erfuhren wir, daß jemand ins Lager geschlichen war, der Vater eines der verschleppten Mädchen, er war gekommen, um sein Kind noch einmal zu sehen, und als die Wache ihn bemerkte, hatte die Tochter bereits ihre Arme um seinen Hals geschlungen, und beide weinten. Die Wache zerrte den Mann zum nächsten Baum, band ihn am Stamm fest und erschoß ihn. Am nächsten Morgen mußte ich Bwana Speke in das Lager der Sklavenhändler begleiten, er brauchte mich zum Übersetzen, er wollte einige Auskünfte einholen. Bevor wir die Menschen sahen, sahen wir den Besitz, der ihnen geraubt worden war, Töpfe, Trommeln, Körbe, Werkzeuge, Messer, Pfeifen, alles lag herum, als wüßten die Sklavenhändler nicht, was sie damit anstellen sollten. Der erste Mensch, den ich erblickte, war ein Mann, ein junger Mann, der seinen Arm hob, obwohl die Handfesseln sich in sein Fleisch gefressen hatten, immerzu seinen Arm hob, um den Druck des eisernen Halsbandes zu lockern, und er erinnerte mich an einen Vogel, der vergeblich versucht, seinen gebrochenen Flügel zu heben, immer wieder.
    Er war einer von vielen, aber als ich ihn mir genauer angesehen habe, sah ich nicht einen unbekannten jungen Mann auf der Erdekauern, ich sah mich, am Ende meines ersten Lebens, ich sah in dem Gesicht dieses Mannes den Jungen, der in mir gestorben war, und die Narben an meinem Handgelenk und an meinem Hals begannen zu brennen. Ich wollte keinen weiteren Gefangenen ansehen, ich hielt meine Augen gesenkt, aber was für ein Narr war ich zu glauben, ich könnte entkommen, wenn ich mich blind stellte. Was ich auf dem Boden nicht sehen konnte, das drängte mir der elende Gestank auf, der durch meine Nase riß, die Ausdünstungen von Menschen, die nicht zum Wasser gehen konnten, die sich nicht hinter Termitenhügeln erleichtern durften. Die kein Essen erhielten, sondern selber in den Wäldern nach Essen wühlen mußten, die Aufgabe der gefangenen Frauen, die gerade in das eingepfählte Lager zurückgetrieben wurden, als wir dastanden und versuchten, nichts zu sehen und nichts zu riechen. Sie hatten Wurzeln ausgegraben und wilde Bananen gefunden, und was sie mitbrachten, wurde den anderen Menschen, die in dem ranzigen Dunst ihres Überlebens zusammengebunden waren, zugeworfen, ungeschält und ungekocht, roh, so wie die Frauen es aus der Erde gegraben und von den Büschen gepflückt hatten, und die Gefangenen stürzten sich auf das Essen, sie krochen über die Erde und kämpften um die rohen Wurzeln und die grünen Bananen, und sie schrien schrill, weil die Halsbänder und die Fußfesseln und Ketten am Handgelenk sich noch tiefer in ihr Fleisch gruben. Der Sklavenhändler, den wir aufsuchen wollten, er stand auf einmal neben uns, und nach den Begrüßungen, für die Bwana Speke meiner Hilfe nicht bedurfte, begann ein Gespräch, dem ich nicht gut folgen konnte, ich verstand Bwana Spekes Worte nicht, und ich sah dem Gesicht des Sklavenhändlers an, wie wenig er meine Worte verstand, sein Gesicht durchwanderte ein langes Tal der Verwunderung. Bwana Speke sprach lauter, seine Worte beschworen eine Überzeugung, von der mich ein großer Graben trennte, seine Beschwörungen waren Brunnen, die das Feld von anderen bewässerten. Siehst du diese Menschen, hörte ich mich zu dem Sklavenhändler sagen, sie müssen trinken, genauso wie du. Sie haben Durst, genauso wie du. Was verlierst du, wenn du ihnen einen Bottich hinstellst mit Wasser. Sein Gesicht verfinsterte sich. Du Gnom, schrie er, glaubst du, jemand hört auf dich, wenn du nicht für den Mzunguübersetzt? Du bist ein Nichts, und wenn du nicht das Maul hältst, werde ich dir ein besonders enges Band um den Hals legen und dich zu den anderen werfen. Sein Gesicht verformte sich wie Speckstein und erstarrte dann in

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