Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Verachtung. Er blickte zu Bwana Speke, und er lächelte ein Lächeln, das abscheulich war, für das es nur eine Entgegnung gab, ich mußte die Zähne aus diesem Lächeln kratzen. Ich dachte nicht nach, der Dolch war in meiner Hand, und mein Arm erhob sich, ich hörte nichts, und ich nahm nichts wahr, Bwana Speke erzählte mir später, ich hätte geröhrt wie ein angeschossener Büffel, und die Verachtung auf dem Gesicht des Sklavenhändlers riß auf, als sei der Speckstein auf einen härteren Felsen gefallen. Er war wehrlos, so wehrlos wie jeder gegenüber dem Unerwarteten ist. Ich weiß nicht, ob ich ihn verletzt oder getötet hätte, und ich werde es nie erfahren, denn Bwana Speke packte meine Schultern von hinten, seine langen Arme schlangen sich um mich, und er säuselte mir ins Ohr, Shanti, Shanti, das Wort, mit dem die Banyan sich Frieden wünschen, und ich konnte es nicht ertragen und hätte meinen Dolch auch gegen ihn gerichtet, aber er war stark, erstaunlich stark, und meine Wut klatschte gegen seine Stärke, bis sie langsam verebbte. Und während er mich noch festhielt, geriet der Sklavenhändler in Bewegung, mit vielen Gesten bedeutete er Bwana Speke, er wolle mich zur Strafe auspeitschen, doch Bwana Speke schüttelte den Kopf und sagte das einzige Wort, das er in den Sprachen der Versklavung kannte, auf Arabisch und auf Kisuaheli, er sagte laut und langsam: Hapana, und dann rief er ein La!, das durch die Luft schwirrte und all das, was geschehen war, von dem restlichen Tag abtrennte. Er zog mich mit sich, und ich sah beim Umdrehen noch einmal die gefesselten Menschen hinter den Pfählen, und mir fiel auf, sie kämpften nicht mehr um die Wurzeln, sie blickten mich alle still an, und ich konnte nicht erkennen, was ihre Blicke ausdrückten, ob sie meine Tat guthießen oder ob sie mich verachteten, ich wußte nur, es waren Blicke, die ich nie vergessen würde. Ich wünschte, keine Augen gehabt zu haben.
Er muß sich eingestehen, er kann nicht in ein leckendes Kanu steigen, er traut sich nicht einmal zu, sich so festzuhalten, daß er nicht über Bord fällt. Er liegt in einer Hütte, auf dem Feldbett. Er hat seine Geheimmedizin eingenommen, Äther vermischt mit Schnaps, eine Einheit zu zwei. Die Himmelsluft dämpft seine Nervosität, seine aufkeimende Hysterie, das krampfartige Erbrechen. Speke trägt ihm zu, was draußen geschieht, von seinem Bad im See einkehrend, nach einem Besuch auf dem Marktplatz. Meine Sonnenbrille, sagt er, meine graue französische Sonnenbrille, hat den Handel zum Stillstand gebracht. Ich mußte sie abnehmen, um mich zu befreien. Er ist gut gelaunt, er hat sich erholt. Er soll nach einem Boot suchen, mit dem sie den See erkunden können. Nach einem Fluß irgendwo am Nordzipfel des Sees. Der Fluß Ruzisi. Sie müssen herausfinden, ob Ruzisi aus dem See oder in den See fließt. Speke muß mit Bombay den See überqueren. Am anderen Ufer, auf einer Insel vor dem Festland, soll ein Araber, diese Kenntnis stammt von Snay bin Amir, über eine seetüchtige Dau verfügen. Das erledige ich, Dick. Und Speke geht aus der Hütte. Anstatt nach einigen Tagen zurückzukehren, bleibt er einen Monat lang fort, vier lange Wochen, in denen er nichts erledigt hat, nichts, diese Ausgeburt des Versagens. Wenn Burton sich nur bewegen könnte. Nächtliche Kälte. Glühende Hitze. Feuchte Kälte, Ausschläge an Beinen, an Armen. Wenn er seinen Körper betrachtet, haßt er sich. Er muß auf dem Feldbett liegenbleiben, als Pfand. Einer von ihnen beiden muß geopfert werden. Einer wird freigelassen werden. Zu trinken ist schwieriger als zu denken. Unmöglich zu essen. Geschwüre wuchern in seinem Mund. Traumsaft, ein wenig Traumsaft. Man reiche ihm das Fläschchen. Wo seid ihr? Wollt ihr mir mein Soma verweigern, das alle Schmerzen stillt? Doppelte Dosis, das habt ihr davon, der Schmerz ist ein Ablaßbrief. Weglaufen. Eingeholt werden. Immer und immer wieder. Wieso nicht umdrehen? Entgegengehen! Er lehnt sich zum Schmerz. Er läßt sich in den Schmerz fallen. Liebe deinen Feind. Sei dankbar, daß du aufgeschlitzt wirst, umarme den Schmerz. Die Flammen, die dich verschlingen, werden zu Flammen, die dich liebkosen. Er löst sich auf, er löst sich in den Armen von drei Schönheiten auf, in ihren Bernsteinaugen ein Lachen, wie Tänzerinnen auf dem Relief indischer Tempel, unerwartetangetroffen in einem Dorf, das nichts hervorgebracht hat außer diesen drei Versprechen, die sich mit trefflicher Absicht
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