Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Knie und der Schädel werdenkönnen, so kalt, ich habe das Gefühl, ich bin ein gelähmter Fisch, der auf dem Grund des Meeres liegt, und nur noch sein Maul bewegen kann, bis auch seine Zunge zu einem Knochen wird.
– Nun übertreibst du aber, Baba Sidi, deine Zunge ist wahrlich weit davon entfernt zu erstarren.
– Auch das, was uns unfaßbar erscheint, wird eines Tages geschehen.
– Wir werden es erwarten.
– Und solange wir warten, werden wir dir zuhören.
– Und ich werde weiterreden, seid unbesorgt, macht euch keine falschen Hoffnungen, obwohl, manchmal überkommt mich der Verdacht, meine Worte hätten meine Schritte überholt, meine Berichte von den Ereignissen hätten die Ereignisse in den Schatten gestellt. Das erinnert mich an einen Jungen, als ich klein war, in meinem ersten Leben, er hat meinen Schatten festhalten wollen, er hat mich gebeten, still stehenzubleiben, und er hat mit seinen kleinen Händen die Erde aufgekratzt, genau da, wo mein Schatten hinfiel, er grub, bis seine Hände ganz verschrammt waren, und als er glaubte, fertig zu sein, stellte er fest, mein Schatten hatte sich verändert. Also grub er weiter, jeder Veränderung des Schattens folgte er, bis ihm die Kraft ausging und mir die Geduld, und wir traten zurück, um den Schatten zu betrachten, den er festgehalten hatte, und es war eine Grube ohne Form, auf die wir blickten, sie sah nicht aus wie irgendeiner meiner Schatten, der Junge war traurig, und ich habe vorgeschlagen, Früchte pflücken zu gehen. Dieser Junge, ich kann ihn nicht vergessen, er war nicht unter jenen, die gefangen wurden von den Arabern an jenem Tag, an dem mein erstes Leben starb, und ich habe mich oft gefragt, welche Schatten er in seinem Leben geworfen hat, und wenn ich träume, träume ich auch davon, diesen Jungen noch einmal zu treffen, wir beide als alte Männer, und ich würde ihn bitten, mir alles von sich zu erzählen, und dann würde ich das Leben, das mir geraubt wurde, in Fleisch und Blut vor mir sehen, von dem Menschen gelebt, der es nicht geschafft hat, meinen Schatten festzuhalten, der es nie schaffen wird, denn in meinem wirklichen Leben habe ich keinen Schatten mehr geworfen. Durch ihn würde ich sehen, was für Schatten ich geworfen hätte. Es ist einschöner Traum und ein häßlicher Traum, so sind meine Träume, sie sind wie Gerichte, die von einer zugleich verliebten und einer verlassenen Frau gekocht worden sind, Gerichte, süß wie Zucker und scharf wie die Schote eines Baobabs, der auf dem Friedhof wächst. Wie einer der anderen Träume, von denen ich mich nicht lösen kann, der Traum von dem See und dem Reiher, der eigentlich kein Traum ist, sondern der unverrückbare Schatten einer Erinnerung. An den zweiten See, um genau zu sein, an einen schönen Vogel. Es gab nämlich diesen zweiten großen See, es gab ihn wirklich, so wie es uns die Araber in Kazeh versichert hatten, und Bwana Speke und ich und einige der Träger, wir erreichten diesen See nach einem halben Monat Marsch, Bwana Burton war in Kazeh geblieben, vielleicht wegen seiner Krankheit, vielleicht weil er die Gesellschaft der Araber der von Bwana Speke vorzog. Wir standen auf einem kleinen Hügel, und er lag vor uns, der zweite große See, und wir waren weniger erschöpft und weniger verzweifelt und weniger aufgeregt als an dem Tag, an dem wir den ersten großen See gesehen hatten. Wir alle, außer Bwana Speke, der auf einmal wie verwandelt war. Schon der erste Blick zeigte uns, dieser See war größer als jeder andere See, den wir kannten, den Bwana Speke kannte, er war größer als der erste See. Wir standen am Ufer und staunten über das Wasser, das kein Ende nahm, es raschelte in unserer Nähe, ein Reiher flatterte vor uns aus dem Schilf auf, seine ersten Flügelschläge schwappten schwerfällig, als seien seine Flügel eingeschlafen, ein schlanker Vogel, der das Gesetz nicht kannte, das Gesetz, das lautet, kein Tier darf ungestraft vor den Augen von Bwana Speke fliegen oder laufen. Der Reiher erhob sich in die Lüfte, vor unseren Augen, er gewann an Geschwindigkeit, mit Zuversicht glitt er über uns hinweg, ein grauer weißer brauner Vogel mit einem Schnabel, wie die Nadel eines Kompasses. Bwana Speke war überaus zufrieden, das konnten wir ihm ansehen, sein Herz durfte sich selten auf seinem Gesicht zeigen, er versteckte es wie manche Männer ihre Ehefrauen, aber an diesem Ufer legte es alle Schleier ab. Dies ist, was wir gesucht haben, sagte er feierlich, und er
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