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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Leid, nur um die Herrschaft von Idioten zu untermauern. ›Wir dienen in einer Galaxie von Eseln.‹ Der General löckte vergeblich wider den Stachel. Je offenerer die Wahrheit aussprach, desto verrückter wähnten ihn seine Untergebenen. So etwas konnte man sich nur als Oberbefehlshaber leisten. Sie riefen sich in Erinnerung: Der General ist auf dem Weg in den Ruhestand. Wir sind die Zukunft.
    Es gab wenige Männer, auf die er sich verlassen konnte, Männer wie dieser Burton, der vertrauenswürdig von dem Treiben der Einheimischen berichtete. Er unterhielt sich gerne mit ihm. Sein Blick auf die Dinge war so frisch, als sei die Schöpfung gerade erst vollzogen worden. Aber eine Schwäche hatte dieser junge Mann, eine fatale Schwäche. Er beließ es nicht dabei, die Fremde zu beobachten. Er wollte an ihr teilnehmen. Er war ihr verfallen, so sehr, daß er sie sogar bewahren wollte in ihrem zurückgebliebenen Zustand. Ihre Positionen standen sich diametral gegenüber. Der General war getrieben, die Fremde zu verändern, zu verbessern. Dieser Burton hingegen wollte die Fremde sich selbst überlassen, weil die Verbesserung der Fremde ihre Auslöschung bedeuten würde. Das war dem General unverständlich, zumal dieser junge Soldat keinen Deut daran zweifelte, daß die britische Zivilisation dem einheimischen Brauchtum überlegen war. Sollte sich das Überlegene nicht durchsetzen? War das nicht der natürliche Fortgang der Geschichte? Konsequentes Denken war nicht die Stärke dieses Offiziers. Wie jeder andere auch, echauffierte er sich über die allgegenwärtige Dummheit und Faulheit und Roheit. Er konnte mit vehementer Abfälligkeit urteilen. Wie bei der These, auf die er sich neulich versteift hatte. Neid, Haß und Bosheit seien die Samen, die der Einheimische verstreue, wo er nur könne. Nicht aus einer teuflischen Gesinnung heraus, sondern weil er einen entsprechenden Instinkt besitze, genährt von seiner gerissenen Schwäche. Starker Tobak. Doch der Urheber solcher Verdikte wollte trotzdem die einheimischen Regeln einhalten. Manchmal hegte er den Verdacht, er spiele ihm diese selbstgerechte Entrüstung vor, um sich gegen den Vorwurf zu verwahren, er sei zu weich gegenüber den Einheimischen. Er war ein Rätsel, dieser Burton. Er vertrat meistens eine Meinung, die man von ihm nicht erwartete. Mörder sollten nicht gehängt werden, hatte er bei ihrem letzten Gespräch plädiert. Sie sollten wie gehabt vor eine Kanone gespannt werden, die dann abgefeuert wird. Brutal, zugegeben.Ich denke allerdings, unser Mitgefühl muß auf den erprobten Pfaden des Realistischen wandeln. Wir dürfen die Abschreckung nicht aus den Augen verlieren. Dem in Stücke gerissenen Mörder wird das Begräbnis verwehrt, ohne das kein Moslem in das Paradies gelangen kann. Wenn wir hängen, sollten wir die Leiche verbrennen lassen, aus denselben Gründen. Gleiches Recht für alle, das funktioniert hier nicht. Unser Strafrecht hat auf dem langen Transportweg an Effizienz verloren. Sehen Sie, jemanden einzusperren, das mag in Manchester wirkungsvoll sein, im Sindh ist es geradezu kontraproduktiv. Das gemeine Maskulinum in diesen Breiten empfindet einige Monate in unseren Gefängnissen als Erholung. Essen, trinken, dösen und in Ruhe die Pfeife rauchen. Statt dessen sollten wir die Ärmeren unter den Verbrechern auspeitschen und die Reicheren zur Kasse bitten. Das wird Eindruck hinterlassen. Nein, konsequent war er bestimmt nicht, dieser Offizier mit dem Auftrag, dem General persönlich Rapport zu erstatten.
     
     
     
    31.
    NAUKARAM
     
    II Aum Avanishaaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
    – Ich bin heute aus einem einzigen Grund hergekommen. Ich möchte endlich etwas in den Händen halten. Einen Beweis, daß wir seit einem Monat täglich zusammensitzen. Etwas, das so aussieht, als könnte es sechzehn Rupien wert sein. Ein Zeichen, das mich wieder hoffen läßt.
    – Wir sind noch nicht fertig. Was kann ich dafür, daß du soviel erlebt hast.
    – Was können Sie dafür? Ich wollte nur ein zweiseitiges Empfehlungsschreiben, als ich letzten Monat zu Ihnen kam.
    – Von zwei Seiten war nie die Rede.
    – Auch nicht von hundert.
    – Was willst du?
    – Ich möchte, daß Sie bis morgen eine vorläufige Fassung anfertigen. Einige Seiten, die alles Wichtige beinhalten. Ich möchte so bald wie möglich beginnen, neue Arbeit zu suchen. Wenn der Monsun einfällt, gibt es viel zu tun in jedem gutgeführten Haushalt. Und die

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