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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Angrezi. Eines Tages schickten sogar die Kurtisanen eine Delegation. Burton Saheb war gerade anwesend, als sie hereingebeten wurden, diese Frauen. Sie waren allesamt vorbildlich verhüllt. Eine von ihnen trat näher und trug ihre Beschwerde vor. Wenn der Ehebruch nicht mehr bestraft werde, dann würden die verheirateten Frauen ihnen alle Arbeit wegnehmen. Das sei Mundraub an den Kurtisanen. Wenn es so weiterginge, würden sie verhungern.
     
     
     
    28.
    WER DEN HÖCHSTEN PLATZ EINNIMMT
     
    Es ist Jehannum bei Tage, und Barabut bei Nacht. Bewunderst du nicht meine Akklimatisierung? Frei übersetzt: Am Tage führt der Teufel den Vorsitz, nachts der Beelzebub. Man muß schon einen eigenwilligen Sinn für Unterhaltung haben, um die Zeit hier vergnüglich zu gestalten. Ich passe mich an. Trotzdem, manches geht mir ab. Nichts so sehr wie die Gesellschaft von Guruji. Du erinnerst dich gewiß, ich habe ihn dir einmal ausführlich beschrieben. Sprachlehrer gibt es viele, wie Mücken im Stall, aber finde mal einen, der den heiligen Unernst des Lebens so zelebrieren kann wie der alte, wunderbar schrullige Upanitsche. Er hat mir das Leben in Baroda erträglich gemacht. Besonders zuletzt. Ich übertreibe nicht. Er hat eine Begabung, die eigene Verzweiflung unbedeutend erscheinen zu lassen. Sein Geist stand mit einem Bein im Alltag und schwebte mit dem anderen über dem Menschsein. Ich werde ihn wohl nicht mehrwiedersehen. Hinduismus ist passé, mon cher ami, ich wende mich nun dem Islam zu. Paßt besser zur Landschaft hier, daher die hohe Dichte an Derwischen. Ich denke, ich werde Guruji durch eine Equipe von Lehrern ersetzen. Die klaren Geheimnisse des Al-Islam bringt mir ein Mann am Ufer des Flusses bei. Wir sitzen unter einem Tamarindenbaum auf einem Filzteppich, um uns herum süßlich riechendes Basilikum, und während er mich unterrichtet, blickt dieser Lehrer, der zu seßhaft ist für einen Derwisch und zu wild für einen Alim, auf den Strom hinaus, auf die Menschen, die sich an der Fähre zusammenfinden. Auch einen Lehrer für das Persische habe ich schon gefunden, die stolzeste aller Sprachen, wie mir scheint, nachdem ich durch ihre Hallen geführt worden bin. Und noch ein dritter Lehrer, ein richtiger Derwisch, ein wilder Mann, der zur höheren Einsicht führt, indem er Verwirrung stiftet. Leider sehen wir uns nur selten. Aber wenn wir uns treffen, zufällig meist, steckt er mir ein Gedicht zu, als sei ich ein armer Mann, der zu stolz ist zum Betteln. Er hat meine Nivellierwaage aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich bin ihm gefolgt, und er hat mich hineingezogen in ein Lied, eine Liedform, genauer gesprochen, die es in sich hat, mein Bester. So eine rasante Rutsche in die Ekstase hat es bei uns nie gegeben. Musik und Poesie, damit ist dieses Land gesegnet. Urdu, die Sprache, die singt, ist so opulent, ein Gespräch über Kartoffeln wirkt auf mich wie eine szenische Aufführung von Childe Harold . Ich genieße die Abwechslung.
     
     
     
    29.
    NAUKARAM
     
    II Aum Prathameshvaraaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
    – Ich muß Ihnen sagen, in den Jahren im Sindh wurde ich von einem Vertrauten zu einem Verbannten.
    – Du bist in Ungnade gefallen?
    – Er wandte sich von mir ab. Er besprach kaum noch etwas mit mir.
    – Wundert dich das?
    – Wieso?
    – So abfällig, so haßerfüllt du über die Moslems sprichst, wie sollte er so einem Menschen anvertrauen, welche aufregenden Entdeckungen er auf seinen neuen Reisen machte?
    – Wieso sagen Sie haßerfüllt? Ich hatte keinen Haß. Ich wußte kaum etwas über die Miya, als wir ankamen. Sie wissen nicht, wozu sie imstande sind. Sie zwangen unsere Leute, Miya zu werden. Die Schandtaten, sie waren unerträglich. Ist es Haß, wenn ich das sage? Ein Banyan wurde fälschlich angeklagt. Ich glaube, er hatte eine Auseinandersetzung mit einem anderen Geschäftsmann gehabt.
    – Einem Miya?
    – Ja, natürlich. Die Anschuldigung war offensichtlich an den Haaren herbeigezogen. Und wie hat der Kadi entschieden? Der Banyan wurde abgeführt. Seine Kleidung wurde ihm ausgezogen. Er wurde gewaschen, so wie die Miya meinen, der Mensch müsse sich waschen. Dreimal hier und dreimal dort, und zwischendrin wird immer wieder etwas gekrächzt. Dann zogen sie ihm neue Kleidung an und trugen ihn zur Moschee. Sie bewarfen ihn mit ihren Gebeten. Er mußte nachsprechen, daß er glaubt, was ein Miya zu glauben hat. Und nur weil er sich nicht verhaspelte, hören Sie

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