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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Wirbel in die erste Attacke, der einige weitere Attacken folgten, doch sooft er angriff, so viele Hiebe er auch setzte, der Belutsche wehrte alles ab mit Schwert und Schild. Die Frustration dieses Offiziers, der viel auf seine Fechtkünste hielt, nahm zu. Er konnte die unverständlichen Rufe der Einheimischen hören, sie klangen in seinen Ohren wie Hohn, er würde den Kampf von Mann zu Mann nicht gewinnen können, er würde seinen beachtlichen Ruf unter den Kameraden verlieren. Er griff ein letztes Mal an, mit gezogener Pistole, und anstatt einen Hieb zu setzen, erschoß er den Belutschen aus nächster Nähe. Diese Geschichte wird landauf, landab erzählt, sie wuchert aus, sie treibt giftige Blüten, die das erfolgte Unrecht ins Dämonische steigern. Es sind viele verschiedene Versionen im Umlauf, doch allen ist das Skelett gemein, das ich umrissen habe. Schwerer als das Verhalten dieses Offiziers wiegt für die Einheimischen das Unrecht, daß sich dieser Offizier nicht vor einem ordentlichen Kriegsgericht für sein Vergehen hat verantworten müssen. Im Gegenteil, er ist befördert worden, er nimmt heute einen hohen Rang ein.

 
     
     
    33.
    NAUKARAM
     
    II Aum Kavishaaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
    Der Lahiya holte die Mappe heraus, eine Mappe aus feinem Leder. Er hatte sie gekauft, als ihm bewußt wurde, wie viele Blätter er schon mit der Geschichte von Naukaram beschriftet hatte. Sie mußten zusammengehalten werden, er hatte auf einmal Angst verspürt, sie zu verlieren, selbst einer einzigen Seite verlustig zu gehen. Also hatte er mit einem Teil seines Honorars diese Mappe gekauft und natürlich einen Streit über die unnötige Ausgabe entfacht mit jener, die Buch hält. Er faltete die Mappe auf, ein wenig, bis er mit zwei Fingern eine Seite herausziehen konnte. Er las die Seite durch, aufmerksam, bedächtig. Er hatte auf einmal das Gefühl, laufen zu können wie ein junger Mann, den Hügel in die Stadt hinauf, den er neuerdings tief schnaufend und mit schwarzen Flecken vor den Augen überwunden hatte, und dann hinab, fast flog er, er überholte die pedantische Erzählung dieses Dieners, sie hatte den nötigen Anschub gegeben, dafür war er dankbar, aber nun mußte er ihr Flügel verleihen. AumBalaganapati , nicht wahr, sieben Silben, sieben Töne, die dem Bericht dieses gescheiterten Dieners Sinn geben würden und Schönheit. Was für eine Schönheit? Es sind nur wenige, die zaubern können. Durfte er das? Was für eine kleinliche Frage. Durfte er das Leben eines anderen verfälschen? Wozu diese Gewissenhaftigkeit? Er mußte diese Steifheit ablegen, sie ziemte sich nur für Helden auf alten Miniaturen. Bewegung! Biegsamkeit! Zudem, Naukaram belog ihn regelmäßig, das war offensichtlich, es war nicht sein wirkliches Leben, das er vor dem Lahiya ausbreitete, es war eine brautschöne Fassung, alles Häßliche herausgezupft, geschminkt, maskiert, sieben Schichten Stoff über jede Schürfwunde gelegt, natürlich, wer sagt schon die Wahrheit, wer traut sich, in ihr zu sprechen. Dabei wäre es geblieben, wenn er nicht nachgebohrt hätte. Einiges hatte er entlarven können, er hatte einen Riecher für Lügen, aber manches, was ihm peinlich war, würde Naukaram biszum Ende verschweigen. Also blieb ihm, dem Lahiya, nichts anderes übrig, als das Ausgesparte einzufügen. Es war seine Pflicht zu vervollständigen.
    Wer war Kundalini? Wer war sie wirklich? Er hatte einen Pujari aufgesucht, der auf seinen vielen Pilgerreisen manche Winkel des Landes gesehen hatte. Das Gespräch mit ihm war überaus ergiebig gewesen, seine Vermutungen hatten sich bestätigt. Der Pujari hatte aus der Herkunft von Kundalini gewisse Schlüsse ziehen können. Phaltan, in dem Distrikt Satara, das deute darauf hin, daß ihre Familie Anhänger der Mahanubhav-Gemeinde waren. Bei denen gebe es viele Devadasi. In den Tempeln dort wurde mir immer wieder eine von ihnen angeboten, aber ich habe abgelehnt, hatte der Pujari gesagt, wer in dem Alter eines Großvaters ist, der sollte nicht wie ein junger Mann handeln, der Vater werden will. Kundalini war eine Devadasi gewesen, einiges wies darauf hin. Sie muß in einem Tempel gedient haben, von dort muß sie weglaufen sein. Devadasi erhalten niemals Erlaubnis, hatte der Pujari erklärt, in jungen Jahren, in den Jahren weiblicher Blüte, den Tempel zu verlassen. Nur wenn die Priester keinen Gebrauch mehr für sie haben, werden sie freigelassen, aber oft haben sie sich so

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