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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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vermuten würde, häufen sich Süßigkeiten auf, stehen große Krüge mit Öl, aus denen abgegossen wird je nach Maß der Flasche, die der Käufer mitgebracht hat, und in dem grob zusammengezimmerten Regal an der hinteren Wand werden kostbarere Waren aufbewahrt, wie der feine Tabak, der bessere Tee, die Datteln aus Medina. Kein Käufer kann so einen Laden beim ersten Besuch erfassen; er wird viele Male zurückkehren und eher aus Höflichkeit denn aus Überzeugung fragen, ob denn auch Melasse vorhanden sei, und zu seinem Erstaunen wird der Verkäufer in eine Nische greifen, die bislang verborgen geblieben war, und die gewünschte Ware auf die Waage schütten. Der Bazzaz, der Verkäufer, der nicht aus dieser Stadt stammt, er hat seinen kleinen Laden erst vor kurzem eröffnet. Es spricht sich schnell herum, wofür es sich lohnt, seinen Dukaan aufzusuchen – wegen der Datteln, des Tabaks, des eingelegten Ingwersund der Süßigkeiten, und wegen des Bazzaz selber, ein vornehmer Mann, mit dem sich vorzüglich plaudern läßt. Er hat es nie eilig. Er ist nicht aus dieser Gegend. Vielleicht zeigt er sich deshalb so großzügig. Wenn er abwiegt, dann stets zugunsten des Käufers. Vor allem, ist euch das aufgefallen, bei den Frauen, wenn sie ihn eines Lächelns für würdig erachten. Mirza Abdullah, der Bazzaz, es heißt, er käme ursprünglich aus Bushire, teils Perser, teils Araber, ein Mann, der in so vielen Regionen aufgewachsen ist, der sein Geschäft durch so viele Gegenden getragen hat, daß er viele Sprachen kennt, doch keine einzige beherrscht. Manchmal vermischt er sogar die Sprachen. Wenn Kundschaft ausbleibt, spielt er Schach mit seinem Nachbarn. Er gewinnt meistens, obwohl er lieber schwatzt als nachdenkt. Er hört gerne zu, dieser Bazzaz. Seine Augen belohnen dich, wenn du ihm etwas erzählst. Du bist ihm dankbar dafür, daß er dich angehört hat. Du nimmst ihn mit – er hat den Sohn des Nachbarn gebeten, auf den Laden aufzupassen, er entlohnt ihn so prächtig, der Junge will nicht zur Tür hinaus – zu einem Treffen von Freunden nach dem Tarawih. Es ist die Jahreszeit für ernste Gespräche. Du nimmst ihn mit zu jenen, die Opium rauchen und Hanf trinken. Seine Gesellschaft ist angenehm, es ist Kayf, mit ihm irgendwo zu sitzen und die Zeit bis zum letzten Krümel zu rauchen. Wenn er eine Schwäche hat, dieser neue Freund, dann ist es sein Haß auf die Angrezi. Ein Mann muß ausgewogen urteilen. Er muß einschätzen können, was möglich ist. Er muß sich arrangieren können. Der Bazzaz begreift das nicht. Er flucht über die Ungläubigen, die das Land entehren, über die Parasiten, die das Blut des Landes aussaugen. Es sind nicht wenige, die seine Meinung teilen. Sie sitzen in enger Gemeinschaft und denken an Afghanistan. Sechzehntausend dieser Ungläubigen zogen sich aus Kabul zurück, nur ein einziger von ihnen erreichte Jalalabad. Das sind Zahlen, die mir gefallen, sagt ein Mann mit geweiteten Pupillen, der seine Wörter zermatscht wie zu lange gekochtes Daal. Geschah den Angrezi recht, fügt ein anderer hinzu, von mir aus hätten sie doppelt so viele Opfer bringen können. Was für ein Geschenk des Allmächtigen, daß auch sie einmal erfahren mußten, wie es ist, zu verlieren, wie es ist, erniedrigt zu werden, wie es ist, machtlos zu sein. Trotzdem, der Bazzaz meldetsich zum ersten Mal zu Wort, es war nur eine einmalige Katastrophe für sie, eine Ausnahme. Wir hingegen leben in der Katastrophe. Wenn der Sindh ein zweites Afghanistan werden könnte, unterbricht ein jüngerer Mann mit Pathos in der Stimme, wenn wir unser Land reinigen könnten mit dem Blut der Firengi. Vielleicht lernen sie dann ihre Lektion. Der Bazzaz nickt nur und streicht sich über den dichten Bart. Der Mann mit den erweiterten Pupillen, der redet nur daher, das ist allen bekannt, aber dieser junge Mann, wer weiß, an ihm ist einiges, das ausgelotet werden sollte. Einer von jenen, die bislang geschwiegen haben, erinnert an die Schlacht von Miani. Er hat erst wenige Züge zu sich genommen, er ist noch fahrig. Wir mußten fünftausend Tote beklagen. Gegen zweieinhalbtausend Angrezi. Wie kann es sein, daß die Opfer der einen Seite zahlreicher sind als die gesamte Armee des Gegners? So etwas sollte der Allmächtige nicht erlauben, das ist außerhalb der Spielregeln, die wir ertragen können. Rückwärtsgewandtes, leeres Geschwätz. Wie bei fast allen. Wie wenige sind bereit, zu handeln, zu kämpfen. Der Bazzaz ist nicht sehr wählerisch,

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