Der Weltensammler: Roman (German Edition)
was seine Gesellschaft betrifft. Er sucht sogar die Kuppler auf und erkauft sich einen Schatz an Gerüchten mit dem feinen Tabak, den er anbietet. Mulla Mohammed Hasan, der ranghöchste Minister von Kalat, ist in aller Munde. Er ficht eine persönliche Fehde gegen den Herrscher aus, gegen Mir Mehrab Khan. Er ist gerissen, er hat die Angrezi glauben lassen, der Khan intrigiere gegen ihre Interessen in Afghanistan. Die dummen Angrezi – so dumm sind sie nicht, Janab Saheb, wenn sie nicht nur uns besiegt haben, sondern neulich auch die Sikhs – sind ihm auf den Leim gegangen, sie haben Mir Mehrab Khan unter Druck gesetzt, und jetzt schlägt er zurück. Daher die regelmäßigen Überfälle. Er wird die Angrezi nicht offen herausfordern. Ich habe gehört, Janab Saheb, die Angrezi planen, gegen Karchat vorzugehen. Wenn der Plan bis zu dir vorgedrungen ist, kann er nicht sehr viel wert sein. Dann befindet sich bestimmt kein Kämpfer mehr in der Stadt. Ein vereitelter Plan, gewiß. Ich habe auch gehört, Muhtaram Khan vernimmt von den Plänen der Angrezi, kaum sind sie angedacht worden. Wieso nicht. Hast du geglaubt, der Verrat spare irgendeine Seite aus? Nein, ich frage mich nur, was den Angrezi angebotenwurde, womit hat man sie verführt? So ist er, dieser Mirza Abdullah, mit dem wir unsere Abende verbringen. Immer die entscheidende Frage auf der Zunge.
51.
NAUKARAM
II Aum Shurpakarnaaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
– Immerzu wettern Sie über die Miya. Welchen Nutzen haben Sie davon, sie derart zu beleidigen?
– Sie beschneiden sich, damit sie sich von uns unterscheiden. Ich respektiere diesen Unterschied.
– Sie haben betont, Burton Saheb sei wie einer von ihnen gewesen. Also, ich verstehe nicht, wie hat er das vollbracht, ohne selber beschnitten zu sein?
– Nichts entgeht dir. Schlau wie ein Lahiya, so sollte es heißen. Burton Saheb hat manch einen Fehler begangen. Er hat sich öfter so benommen, wie ein Herr sich nicht benehmen sollte. Aber nichts war so unwürdig wie das. Ich konnte es nicht glauben. Er hat nicht einmal versucht, diese Schande vor mir geheimzuhalten. Stell dir das vor.
– Wer hat ihn beschnitten?
– Ich weiß es nicht.
– Es muß sehr weh getan haben. Als Erwachsener.
– Schreckliche Schmerzen. Mit Sicherheit. Er hat sich nichts anmerken lassen. Einige Wochen war er still, blieb die ganze Zeit im Zelt. Geschah ihm recht. Dummheit verdient kein Mitgefühl.
– Ob man sich als Mensch wohl ändert, wenn man beschnitten worden ist? Ob es Auswirkungen hat auf das Wesen, auf den Geist?
– Mir ist nichts aufgefallen. Aber seine Verkleidung, die funktioniertebestens. Er war selig. Die Bauern rannten nicht mehr weg, sobald sie seiner ansichtig wurden. Die jungen Frauen zogen sich nicht mehr in ihre Häuser zurück, wenn er sich auf dem Pferd näherte. Die Bettler bestürmten ihn nicht mehr mit ihren Leidensgeschichten. Sogar die Hunde kläfften ihn nicht mehr an.
– Die Beschneidung hat sich also gelohnt.
– So gesehen. Aber was für ein Opfer.
– Wieso bedeutet es Ihnen so viel?
– Ich habe viel darüber nachgedacht. Ich hatte Zeit. Die Beschneidung, sie ist nicht nur widerlich, sie ist unsinnig. Wieso hat Allah ihnen etwas geschenkt, das sie nicht brauchen? Wieso hat er ihre Körper mit etwas ausgestattet, daß sie bald nach der Geburt abschneiden müssen? Ergibt das einen Sinn? Wenn die Vorhaut etwas Unnötiges, etwas Schlechtes wäre, würde Allah sie nicht längst schon abgeschafft haben? Nein. Dies ist das beste Beispiel, wie unsinnig der Glaube dieser Miya ist. Und weil er so unsinnig ist, müssen sie ihn so aggressiv verteidigen.
52.
DER DAS BÖSE BESTRAFT
Bericht an General Napier
Geheim
Heute kann ich einen Erfolg vermelden, auf den wir uns einiges zugute halten können. Der Brauch des Badli, diese Pestbeule auf dem gestählten Körper unserer Justitia, ist ausgerottet worden. Wir haben zum ersten Mal in der Geschichte dieses Landes das Prinzip durchgesetzt, daß der Verurteilte und der Bestrafte ein und dieselbe Person sind. Die Wohlhabenden im Sindh werden unserem Rechtssystem zukünftig mit größerem Respekt entgegentreten, sie werden unsere Todesstrafe fürchten. Die erfolgreiche Lösung dieses Problems sollte unsere Augen für weitere Mißverständnisse öffnen. Wirsollten nicht in Selbstgefälligkeit verfallen, denn es wird noch sehr lange dauern, bis unsere Auffassung von Recht sich in
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