Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
manchmal Gewalttätigkeit und man kann ihnen mit einer Form von Lichttherapie helfen. Sie sitzen dann vor einer Tageslichtlampe, die UV-Licht abstrahlt – nicht genug fürSonnenbräune, aber doch die fünf- bis sechsfache Dosis, die man unter normaler Innenbeleuchtung im Haus bekommt. Es funktioniert. Wenn aber manche Menschen empfindlich auf einen Mangel an Tageslicht reagieren, dann wirkt das Mondlicht vielleicht auf andere Menschen, und zwar auf eine Art, die uns noch nicht bekannt ist. Was immer die Ursache sein mag, das Endergebnis ist jedenfalls das gleiche: Bei Mondschein kommen die Irren heraus und spielen verrückt.
Hundemüde verließ ich das Präsidium gegen vier Uhr morgens und fühlte mich an Leib und Seele beschmutzt. Irgendwer hatte eine Knoblauchgirlande um die Antenne meines Wagens drapiert. Ich warf sie auf die Rückbank. Selten so gelacht.
DIE FREILASSUNG
Ich war wohl so in meine Arbeit vertieft, dass ich Terry Ferriman ein, zwei Tage vergaß. Peter Hardy hatte sich wegen des Filmstars noch nicht wieder gemeldet, und ich hatte viel um die Ohren, zum einen Deborahs finanzielle Bombe, dann aber auch die Arbeit, die mich auf Trab hielt. In Vollmondnächten arbeiteten mein Team und ich fast rund um die Uhr und kümmerten uns um mutmaßliche Missetäter.
Ich kam gerade von einem hastigen Lunch mit Rivron zurück, als mich De’Ath im Dienstraum am Arm packte. »Mann, dein Vögelchen will ausfliegen«, sagte er mit anzüglichem Grinsen.
»Mein Vögelchen?«, fragte ich verständnislos, wie so oft, wenn De’Ath mit mir redete.
»Vogel, Fledermaus. Ist doch egal. Ferriman, Terry. Mutmaßliche Vampirin dieser Gemeinde.«
»Was, du lässt sie laufen?«
Er grinste. »Hab mir schon gedacht, dass dich das freut«, sagte er. »Sie kam mir mit so einem offiziellen Schrieb von einem total angesagten Top-Anwalt, und sie hat es tatsächlichgeschafft, die Kaution auf eine sechsstellige Summe runterzuhandeln.«
»Das ist immer noch eine schöne Stange Geld, Samuel. Für ein Mädchen mit einer so winzig kleinen Wohnung.«
»Vielleicht hat sie steinreiche Eltern«, sagte er achselzuckend.
»Die Eltern sind tot, sagt sie.«
»Ja? Das muss ich in der Akte übersehen haben. Waise?«
»Behauptet sie zumindest. Vielleicht hat sie daher das Geld.«
»Du meinst, sie hats geerbt?«
»Entweder eine Erbschaft oder eine ausgezahlte Versicherungs summe. Gibts was Neues vom Opfer?«
»Nach letzter Meldung immer noch tot.« Er wieherte vor Lachen und wiederholte den Scherz für Filbin, der gerade mit zwei Styropor-Kaffeebechern ankam. Filbin lachte auch.
»Du weißt, wie ich das gemeint habe«, sagte ich geduldig.
De’Ath klatschte auf seinen Schreibtisch und lachte nur noch lauter. »Nein«, sagte er schließlich, nachdem er sich beruhigt hatte. »Identität noch nicht festgestellt.«
»Ist sie noch hier?«, fragte ich. »Du sagtest doch, der Vogel will ausfliegen.«
De’Ath wischte sich die Augen. »Sie packt gerade ihre Siebensachen. Willst du sie sehen?«
»Eigentlich nicht«, log ich. Tatsächlich wollte ich sie sehen, obwohl ich ehrlich gesagt nicht wusste, wieso. Doch, wusste ich wohl, ich fand sie anziehend, darum wollte ich sie sehen, auch wenn es nur für ein »Hallo« und »Wie gehts?« reichte. Ich deponierte die Aktentasche mit dem Notebook im Büro undging zum Haupteingang des Präsidiums, denn ich wusste, dass man sie dort entlassen würde. Sie war schon da und stritt sich mit dem diensthabenden Polizisten, fuchtelte wie wild mit den Armen und verdrehte die Augen wegen seiner Antworten. Es war Patsy O’Hara, ein netter Sergeant irischer Abstammung. Vater von fünf Kindern, ein Enkel war auch schon unterwegs. Ich kannte ihn als ziemlich umgänglichen Menschen, darum fragte ich mich, was sie für ein Problem hatte. Ich hielt Ausschau nach ihrem Anwalt, aber sie war allein, also ging ich zu ihnen.
»Ich will aber nicht gehen!«, sagte sie und schlug mit der Faust auf den Schreibtisch.
»Damit kommen Sie hier nicht durch, junge Frau«, sagte O’Hara, und ich hörte ihm an, dass sein Geduldsfaden bald reißen würde. Terry trug die Kleider, die ich in der Tüte auf Filbins Schreibtisch gesehen hatte: Minirock, Stiefeletten mit Ledertroddeln an der Seite, schwarze Strümpfe und die Lederjacke über einem weißen T-Shirt. Und eine Sonnenbrille. Sie wirkte älter als in dem grauen Polizeikittel.
»Ich will einfach nur bis später hier bleiben, klar? Sie können mich nicht zwingen zu gehen!« Sie
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