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Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)

Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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tiefster Seele hassen, einerlei, wie freundschaftlich ihr euch getrennt habt.«
    »Das ist eine tolle Neuigkeit, Chuck«, sagte ich, ohne die Bitterkeit in meiner Stimme unterdrücken zu können. »Wie stehen denn ihre Chancen?«
    »Das kommt darauf an, wie gut sie das begründen können. Ob sie damit vor Gericht durchkommen oder nicht.«
    »Grausamkeit! Absolut nicht, Chuck. Ich habe Deborah nie ein Haar gekrümmt. Nie. Und was seelische Grausamkeit betrifft, Gott, ich kann mich kaum an unseren letzten Streit erinnern.« Das stimmte nicht. Ich konnte mich wohl erinnern. Und auch an ihre letzten Worte.
    »Du darfst nicht vergessen, dass Laidlaw ein echter Profi ist, wenn es darum geht, alles Schlechte in einer Ehe auszugraben. Glückliche gemeinsame Erinnerungen interessieren sie nicht, nur die Leichen im Keller, und sie weiß genau, wie sie deren Skelette zum Klappern bringt.«
    Chucks bildhafte Sprache gefiel mir nicht – sie gefiel mir ganz und gar nicht. Aprils Tod lag zwar schon über ein Jahr zurück, aber ich war überhaupt noch nicht darüber hinweg und zweifelte, ob das jemals der Fall sein würde. Sie hatte nur vier Tage gelebt, war die ganze Zeit an ein Beatmungsgerät angeschlossen gewesen. Verzweifelt klammerte sie sich ans Leben, aber mit so wenig Aussicht auf Erfolg, dass wir ihr fast gar keinen Namen gegeben hätten. Wir verbrachten Stunden neben dem Brutkasten und sahen ihren entstellten kleinen Körper zucken und atmen, die vollkommenen winzigen Händchen sich schließen und öffnen.
    »Was will sie denn, Chuck?«
    »Noch mal hunderttausend.«
    Also mich wie eine Weihnachtsgans ausnehmen. »Sag ihr, es ist okay. Sie kann sie haben.« Ich würde den Wagen verkaufen müssen und noch einige andere Sachen. Das Haus etwa.
    »Wir könnten dagegen angehen, Jamie. Es gibt keinen Grund aufzugeben. Ich hatte keine Ahnung, dass es böse enden würde. Aber eigentlich hätte ich mir das ja denken können, als sieLaidlaw engagierte. Sie ist eine Blutsaugerin erster Güte, eine echte Vampirin. Sie saugt und saugt, bis nichts mehr übrig ist. Aber wir können kämpfen.«
    Ich hob die Hände. »Lass es einfach, Chuck. Zahl, was wir zahlen müssen, damit mein Leben weitergeht.«
    Er wirkte gequält. »Ich sage dir, was ich mache, Jamie – ich biete fünfzigtausend und warte ab, was passiert. Vielleicht kann ich sie runterhandeln.« Überzeugt klang das nicht. Vielleicht war ich derjenige, der Laidlaw hätte engagieren sollen.
    Ich stand auf und hielt ihm die Hand zum Abschied hin. »Wie du willst, Chuck. Tu einfach, was du für richtig hältst.«
    Er schüttelte mir die Hand und ich ging zu meinem Wagen zurück. Der würde mir fehlen. Eine Weile saß ich einfach so da und umklammerte das Lenkrad so fest, dass meine Knöchel weiß wurden, meinen Kopf voller Gedanken an die Tochter, die ich beinahe gehabt hätte. Sie fehlte mir so sehr.
    Schließlich startete ich den Wagen und fuhr nach Hause, hin-und hergerissen zwischen Trauer und zorniger Verbitterung. Ich schäumte so sehr vor Wut, dass ich um ein Haar ein Mercedes-Cabrio gerammt hätte, und ich musste mich buchstäblich auf die Bremse stellen, bevor der Alpine kreischend zum Halten kam. Es hupte, als der rote Kleinlaster hinter mir plötzlich bremste, und ich winkte entschuldigend und versuchte die bösen Gedanken aus meinem Kopf zu verscheuchen.
    Das Herz klopfte mir wieder bis zum Hals, und ich spürte einen dumpfen Schmerz in meiner Brust, als hätte ich mir einen Muskel gezerrt.
    Zu Hause angekommen, öffnete ich per Fernbedienung im Wagen die Garagentür, aber ich fuhr nicht hinein. Plötzlichkonnte ich den Anblick vom Haus mit all den Erinnerungen nicht mehr ertragen, darum kehrte ich um und fuhr stattdessen zum Präsidium. Es war noch früh am Abend, und ich dachte mir, ich könnte ebenso gut im Zentrum des Geschehens abwarten, dass der Vollmond unterging.
    Ich sah im Morddezernat vorbei, bevor ich in mein Büro ging, aber weder Filbin noch De’Ath waren da. Ein paar Detectives nickten zur Begrüßung. Als ich an ihnen vorbeiging, heulte einer wie ein Wolf und der andere lachte und ich hörte ihn »Vampirjäger« sagen.
    Wie üblich lag De’Aths Schreibtisch unter einem Berg aus verstreuten Papieren, Telefonbüchern und aufgerissenen Briefumschlägen versteckt. Ich ließ mich auf seinen Stuhl fallen und hob den Hörer von seinem Telefon ab. Wahllos drückte ich auf verschiedene Tasten, während ich den Blick über seinen Schreibtisch schweifen ließ.

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