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Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)

Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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antwortete ich. »Du?«
    »Nur etwa tausend Mal«, sagte sie. »Schnell, es geht los!«
    Unsere Plätze lagen mitten in der fünften Reihe, und wir mussten uns an einem bunten Haufen von Freaks und Spinnern vorbeizwängen, die alle den Eingangssong des riesigen Lippenpaars auf der Leinwand mitsangen. Männer zogen ihre Mäntel aus und zeigten tief ausgeschnittene Fummel und Strapse.
    »Hol den Reis raus«, flüsterte Terry, als wir uns hinsetzten. Ich tat wie befohlen und sah ein paar Plätze weiter ein Mädchen mit blonder Igelfrisur und lila Lidschatten einen Plastikbeutel mit Reis unter ihrem Lederminirock hervorziehen. Sie merkte, dass ich sie beobachtete, und zwinkerte mir zu.
    Die Lippen verschwanden von der Leinwand und Terrys rechte Hand grub in die Tüte; heraus kam eine Hand voll Reis. Sie bedeutete mir, es ihr nachzutun. Die Zuschauer schienen den Film schon oft gesehen zu haben, nach der Art und Weise zu urteilen, wie sie die Dialoge mitbrüllten und kommentierten. Als dann eine Hochzeitsszene kam, war die Luft erfüllt von fliegendem Reis, der auf uns alle herabhagelte, begleitet von Kreischen und Pfiffen.
    »Irre, was?«, lachte Terry, die Lippen an mein Ohr gepresst.
    »So was hab ich noch nie gesehen«, bekräftigte ich.
    »Es wird noch besser«, sagte sie. »Glaub mir, es wird noch besser.«
    Ein typisch amerikanisches Paar, Brad und Janet, sang auf der Leinwand und das Publikum flippte aus. Im Gang parodierte ein Paar in identischer Aufmachung die beiden Schauspieler passend zum Soundtrack. Terry reichte mir eine Mülltüte. »Setz dir die mal auf«, flüsterte sie.
    »Was?«
    »Setz dir das auf. Vertrau mir.«
    Ringsum raschelte es im Kino. Anscheinend hielten sich jetzt alle entweder eine Zeitung oder eine Plastiktüte über den Kopf. Terry setzte sich die Tüte auf, und während ich es ihr nachtat, wechselte die Filmszene. Brad und Janet saßen jetzt bei strömendem Regen in einem Wagen. Von oben plätscherte Wasser über die Tüte auf meinem Kopf und sickerte meinen Nacken herunter.
    Terry kicherte. »Irgendwer schafft es immer, Wasser reinzuschmuggeln«, flüsterte sie. »Es ist echt irre, nicht?«
    »Ja, irre«, sagte ich. »Ich hoffe nur, es ist auch wirklich Wasser.«
    Der Rest des Films war ebenso chaotisch. Leute im Publikum waren kostümiert wie die Figuren auf der Leinwand, sprachen die Dialoge mit, schrien die Pointen heraus; andere rannten nach vorn zur Leinwand, zeigten auf Gegenstände und taten so, als ob sie beim Knopfdrücken, Hebelziehen, Vorhang aufziehen und Schränkeschließen halfen. Es war nervig. Publikums beteiligung in einer Anstalt. Terry kannte anscheinend das ganzeDrehbuch auswendig. Sie sang mit, schrie die Pointen zusammen mit den anderen und ab und zu griff sie nach meiner Hand und drückte sie. Sie amüsierte sich, und ich verdammt noch mal auch, wie ich so in einem dunklen Kino saß, mit genügend Verrückten, um ein Jahresabo von
Clinical Psychology
zu füllen. Die Handlung? Ich kann mich nicht erinnern – irgendwas mit der Erschaffung eines Menschen aus Ersatzteilen, Besuchern von einem anderen Planeten, vielen Männern in Strümpfen und Strapsen, und Tim Curry tötete Meatloaf nach einer Lobotomie mit einem Eispickel. Aber Terry, die sehe ich deutlich vor mir, ihre schwarzen Augen vor Freude weit offen, wie sie sich die Lippen leckt und lacht, das Haar vor- und zurückschwingt, ihr Lachen so süß, dass ich sie einfach nur in die Arme nehmen und fest drücken wollte. Ich war drauf und dran, mich in sie zu verlieben; das wusste ich todsicher. Die Erkenntnis brachte lauter Bedenken mit sich, in Bezug auf ihre Gefühle, bezüglich des Altersunterschieds und vor allem wegen der Tatsache, dass ich für das LAPD arbeitete und man gegen sie als Tatverdächtige in einem Mordfall ermittelte.
    Der Abspann lief, das Licht ging an, und sie wandte sich mir zu und ertappte mich dabei, dass ich sie ansah. Sie zog die Stirn kraus und streichelte mir die Wange. »Bist du okay, Jamie D. Beaverbrook?«
    Ich nickte und griff nach ihrer Hand. »Ja.« Ich wollte ihr sagen, wie ich fühlte, ihr von meinem Herzschmerz berichten, aber ich unterdrückte es. Angst vor Zurückweisung vermutlich. Oder davor, mich lächerlich zu machen.
    »Möchtest du etwas trinken? Ich kenne was in der Nähe«, sagte sie.
    »Gern.«
    Wir kamen Arm in Arm aus dem Kino und gingen zum Wagen zurück.
    »Ist es weit?«, fragte ich.
    »Höchstens ein paar Minuten«, sagte sie.
    »Auf einem guten Pferd?«
    Sie

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