Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
kicherte. »Mir gefällt das, wie du mich zum Lachen bringst, Jamie«, sagte sie.
Sie lotste mich und fünf Minuten später hielten wir vis-à-vis einem schwarz gestrichenen, fensterlosen Bau. Eine Treppe führte zu den Doppeltüren hinauf, die offenstanden, und darüber verkündete die Leuchtschrift eines Neonschilds »The Place«. Die Tür wurde von einem breitschultrigen, kahlköpfigen Schwarzen in einem schwarzen Anzug bewacht. Sein gleichgültiges Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, als er Terry erblickte. »Terry, mein Mädel!«, dröhnte er. »Wie gehts denn meinem Lieblingsnachtgespenst?«
»Wie gehabt, Toby«, sagte sie. Sie küsste ihn auf die Wange. »Dies ist mein Freund Jamie«, sagte sie im Vorbeihuschen. Toby nickte mir zu, grinste aber nicht. Ich folgte Terry durch ein rotes Foyer zu weiteren Türen, ebenfalls von einem anderen Schwarzen bewacht, der noch größer war als Toby. Auch er begrüßte Terry mit Namen und öffnete die Türen für sie, sodass der stampfende Heavy-Metal-Beat herauswaberte. Die Tanzfläche war brechend voll. Dort tummelte sich ein ähnlicher Haufen wie im Kino, massenhaft Schwarz, massenhaft Leder, massenhaft nackte Haut und gepiercte Ohren und Nasen, und überall wurde Terry freudig begrüßt, mit Wangenkuss, Umarmung, einem warmen Lächeln. Sie schien unendlich viele Freunde zuhaben, und ich mich erfasste eine Woge der Eifersucht, besonders wenn Männer sie anfassten, aber sie verbrachte nie mehr als ein paar Minuten mit ihnen, bevor sie mit mir im Schlepp weiterzog. Die ohrenbetäubende Musik machte jede Unterhaltung unmöglich, aber wie es schien, bestand herzlich wenig Bedarf an Gesprächen, nur an viel Körperkontakt und der Verrenkung von Gliedmaßen. Ich kam mir alt vor. Wem zum Teufel wollte ich was vormachen, ich war auch alt, nur mein Hirn hatte es noch nicht akzeptiert.
Die Tanzfläche wurde auf einer Seite der Länge nach von einer Theke aus glänzend schwarzem Holz mit einem Messinggeländer begrenzt. Ein halbes Dutzend Barkeeper in schwarzen Hosen-und-Westen-Ensembles gaben ihr Bestes, um mit dem nicht abreißenden Strom von Bestellungen fertigzuwerden. Mindestens drei Leute drängten sich an einer Stelle und wollten Getränke kaufen. Sie wedelten mit Geldscheinen und überschrien die nervtötende Musik. Terry blieb stehen und legte ihren Mund dicht an mein rechtes Ohr, so dicht, dass ich ihren Atem spürte. Ich dachte, sie wollte mich küssen, doch stattdessen fragte sie mich, was ich trinken wollte. Ich legte meinen Mund an ihr Ohr und sagte, ich sollte es besser holen, sie habe keine Chance, durch das Gedränge zu kommen. Grinsend antwortete sie, einer der Barkeeper sei ein Freund von ihr, also bat ich sie um einen Wodka Tonic.
Sie führte mich zu einer Säule und befahl mir, da stehenzubleiben, damit sie mich wiederfinden könne, und dann bahnte sie sich einen Weg zur Bar wie ein schwarzer Hai, der sich durch einen Fischschwarm bohrt. Sie ging ans andere, weniger umlagerte Ende der Theke, wo niemand bediente. Dort stelltesie sich auf die Fußstütze, um sich fünfzehn Zentimeter größer zu machen, aber auch so ragte sie nicht aus der Menge heraus, und ich rechnete damit, dass es noch einige Zeit dauern würde, bis sie zum Zug kam.
Links von mir kreiste ein junger Typ mit einem rot-grünen Irokesen und einem dutzendfach zerschlitzten T-Shirt vor einem Mädchen mit taillenlangem blonden Haar und hautengem Gummikleid, das wenig der Fantasie überließ. Hinter ihnen tanzten langsam zwei Brünette in identischen Lederklamotten und küssten sich selbstvergessen inmitten des pulsierenden Gewummers.
Es war heiß und ich spürte den Schweiß auf meinem Gesicht und im Kreuz. Ich sah wieder zu Terry rüber. Sie war immer noch nicht bedient worden. Sie schrie weder, noch winkte sie oder tat sonst etwas, um die Aufmerksamkeit der Männer hinter der Theke zu erregen. Vielmehr schien sie zu warten und fixierte einen der Barkeeper, einen hochgewachsenen, mageren Typ mit langem schwarzem Haar, das er zu einem femininen Pferdeschwanz zurückgebunden hatte. Seine langen Arme wirkten auf den ersten Blick unvorteilhaft, sie bewegten sich ruckartig von der Flasche zum Glas wie eine schlecht geführte Handpuppe, aber er war schnell und machte anscheinend keine Fehler. Er hatte tiefliegende Augen und ein schmales Gesicht mit offenbar dauerhaftem Stirnrunzeln. Er wirkte sehr ernst, denn er starrte den Gästen geradewegs ins Gesicht, fast drohend, und dann nickte er knapp
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