Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
gehen – Sie bringen uns ja ganz durcheinander«, sagte sie.
Turner zitterte, aus seiner Kehle kam ein trockenes Röcheln. Anscheinend hatte er einen Krampf in der Klaue.
»Ich wollte ihm nur noch ein paar Fragen stellen.«
»Nein«, sagte sie, ihre Stimme klang stahlhart. »Dieser Mann ist mein Patient. Sie müssen gehen. Sofort.«
Ich sah wohl, dass sie es ernst meinte, aber auch, dass es kaum noch eine Chance gab, irgendwas Verständliches aus Turner herauszubekommen. Ich ließ die Pflegerin am Rollstuhl knien und ging ins Hauptgebäude zurück, um Dr. Lyttelton zu suchen. Er war in seinem Büro, und er stand auf, um mich sich zu verabschieden.
»Wie ist es denn gelaufen?«, fragte er.
»Er kam mir ziemlich luzide vor«, sagte ich. »Jedenfalls die meiste Zeit.«
»Er kommt und geht«, bestätigte er.
Ich zeigte ihm das Foto. »Hat dieses Mädchen Mr. Turner jemals hier besucht?«
Er studierte es eingehend, dann schob er die Brille auf der Nase hoch. »Kann nicht behaupten, dass ich die je gesehen hätte.«
»Terry Ferriman heißt sie«, sagte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Lässt sich aber leicht überprüfen. Wir führen über alle Besucher Buch.« Er hob Turners Akte auf, die noch auf dem Schreibtisch lag, und blätterte darin. Er überprüfte eine Seite und schüttelte wieder den Kopf. »Nein. Eine Terry Ferriman hat ihn nie besucht. Tatsächlich hatte er in den letzten drei Jahren nur einen Besucher.« Er sah von der Akte hoch. »Das ist natürlich zu erwarten, wenn man so alt wird wie er. Verwandte – sogar Kinder – und Freunde fallen mit der Zeit weg. Am Ende sind sie ganz allein. Ich vermute, dass die Hälfte der Bewohner hier keine …«
Ich unterbrach seinen deprimierenden Gedankengang. »Der Besucher«, sagte ich. »Wer war das denn?«
Er sah wieder auf die Akte. »Ein Mr. Blumenthal. Matt Blumenthal. Ach ja, ich erinnere mich. Das war ein Privatdetektiv.«
»Ein Detektiv?«
»Ja. Zuerst dachten wir, es handele sich wieder einmal um eine seiner Wahnvorstellungen. Ich weiß noch, dass wir den Mann das erste Mal, als er hier auftauchte, über Mr. TurnersKrankheit informierten und ihn wegschickten. Mr. Turner kontaktierte dann einen Anwalt und beim nächsten Mal verbrachte Mr. Blumenthal gut eine Stunde mit ihm.«
»Wann war das?«
Er las in der Akte. »Vor einem Jahr. Und dann wieder vor ungefähr zwei Monaten.«
»Könnten Sie mir einen großen Gefallen tun, Dr. Lyttelton? Würden Sie mir den Namen seiner Firma geben? Ich würde mich wirklich gerne mal mit Mr. Blumenthal unterhalten.«
Der Arzt gab mir die Details und ich bedankte mich und ging. Es war kurz nach sechs, und ich hatte keine Lust auf die Fahrt zurück nach Los Angeles, darum nahm ich mir ein Zimmer in einem Motel in der Nähe des Heims. Ich rief Rivron an. Er war nicht im Büro, aber ich hinterließ ihm eine Nachricht. Ich würde heute Abend nicht kommen können und bat ihn, wieder die Stellung für mich zu halten. Ich schlief zwar nicht gut, aber wenigstens hatte ich keine Albträume.
DER SELBSTMORD
Ich wachte kurz nach Anbruch der Morgendämmerung auf und rief Rivron erneut an. Ich hatte ihn aufgeweckt, also gab ich ihm ein paar Sekunden, klar zu werden, bevor ich ihm mitteilte, dass ich immer noch nicht zurück in der Stadt war und vor nachmittags nicht im Büro sein konnte. Er sagte, er werde für mich einspringen, murmelte einen Gruß und legte auf. Fürs Frühstück war es noch zu bald und ich hatte auch keinen Hunger, also stieg ich in den Wagen und fuhr nach L.A. zurück. Ich brannte darauf, Blumenthal anzurufen, aber ich dachte mir, dass sein Büro wohl kaum vor neun Uhr öffnen würde, und bis dahin wäre ich schon auf halbem Weg dort. Ich fuhr auf Autopilot, meine Hände umklammerten das vibrierende hölzerne Lenkrad, die Augen fixierten die Straße, in den Ohren rauschte der Motor. Ich fuhr nicht gern lange Strecken, schon gar nicht mit dem Alpine; ich hatte immer Angst, dem alten Auto zu viel abzuverlangen.
Um kurz vor elf hielt ich an für einen Brunch in einem Restaurant an der Straße und gegen zwei Uhr hielt ich vor meinem Haus. Auf dem Anrufbeantworter war eine Nachrichtvon Terry. Und Chuck Harrison bat um Rückruf. Ich rief die Telefongesellschaft an und bekam die Nummer von Blumenthals Firma. Das Mädchen in der Telefonzentrale schien verwirrt, als ich ihr sagte, mit wem ich sprechen wollte, und dann wurde ich zu einer Sekretärin durchgestellt, die mir bedauernd mitteilte, Mr. Blumenthal
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