Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
dunklen Mächte, die unsere Stadt heimsuchen?«
»Wer will das wissen?«, fragte ich. Ich traute ihm nicht, wenn er so gut aufgelegt war. Normalerweise bedeutete das, dass er schlechte Nachrichten für mich hatte.
»Nur ich, dein treuer Verbündeter im immerwährenden Kampf zwischen Gut und Böse.« Er grinste noch breiter, setzte sich auf den Rand von Rivrons Schreibtisch und schlug die Füße übereinander.
»Okay, ich gebe mich geschlagen, Samuel. Was ist passiert? Ist mein Wagen abgeschleppt worden? Oder in Flammen aufgegangen? Oder hat die Einwanderungsbehörde endlich beschlossen, dass meine Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist?«
Er zog einen Ordner unter dem Arm hervor und wedelte damit triumphierend in der Luft herum. »Terry Ferriman«, sagte er. »Die Vampirin.«
»Mutmaßliche Vampirin«, sagte ich.
»Sie ist es nicht«, sagte er.
»Keine Vampirin? Oder nicht Terry Ferriman?«
»Letzteres, mein alter Freund. Was immer sie auch sein mag, sie ist jedenfalls nicht Ferriman, Terry. Nur wenn sie eine von den Untoten ist. Oder den lebenden Toten. Oder wie auch immer du sie nennst.«
»Wovon zum Teufel redest du da, Samuel?«
»Alan und Claire Ferriman starben, als sie elf Jahre alt war. In Utah. Autounfall.«
»Das weiß ich, Samuel. Sie hat mir doch erzählt, dass sie eine Waise ist.«
Er grinste. »Ja, aber nicht, dass auch Terry Ferriman bei dem Unfall ums Leben kam!«
»Bist du sicher?«
»Mann, wofür hältst du mich? Die Geburtsurkunde, mit der sie sich einen Pass und einen Führerschein beschafft hat, gehörte der ursprünglichen Terry Ferriman. Das Kind wurde in Los Angeles geboren, aber weil es in einem anderen Staat starb, gab es keinen Datenabgleich. Dank der Geburtsurkunde hatte unsere Dame, wer immer sie ist, leichtes Spiel. Alle Kreditkarten sind echt, die Sozialversicherungsnummer auch, aber sie beruhen auf einer Lüge. Sie wird jetzt per Haftbefehl gesucht. Du meldest dich doch, wenn du sie siehst, ja?« Seine Augen verengten sich, obwohl er immer noch das selbstzufriedene Grinsen im Gesicht hatte. Wie ein Kätzchen, das die Sahne aufgeschleckt hat.
»Ja, Samuel. Dann ruf ich dich an.«
»Mach das aber auch!«, sagte er.
»Gibt es mehr Indizien in der Mordsache? Irgendwas, das sie damit in Verbindung bringt?«
»Nichts. Noch nicht. Aber das Mädel führt todsicher was im Schilde.« Er wedelte mit der Akte vor meiner Nase herum. »Man gibt sich nicht so viel Mühe, wenn man nichts zu verheimlichen hat. Wir durchforsten so viele Computerdatenbanken wie nur möglich und suchen nach Menschen mit ihren besonderen Kennzeichen. Und wir warten auf die Auswertung ihrer Fingerabdrücke.«
Auf dem Weg hinaus sagte er mir, dass eine Kindsmörderin in Zimmer B auf mich wartete. Na toll! Ich verbrachte rund eine Stunde in Zimmer B, um den Geisteszustand einer Frau mittleren Alters zu überprüfen. Sie zwinkerte mir die ganze Zeit zu, während sie sprach. Sie war unzurechnungsfähig, aber das war vermutlich kein Trost für die Eltern der drei kleinen Jungen, die sie verstümmelt und getötet hatte. Ja, genau das war nach Auskunft des Gerichtsmediziners geschehen. Sie hatte ihnen die Hoden abgeschnitten und sie ihnen in den Mund gestopft, anschließend hatte sie die Kinder mit einem Ledergürtel erdrosselt. Eine Kindsmörderin war ungewöhnlich, besonders eine, die sich nicht am eigenen Nachwuchs vergriff. Ich meine, Frauen töten ja manchmal die eigenen Kinder, aber sie stellen fast nie fremden nach. Sie gab ihrem anderen Ich die Schuld, das sie Emma Wilson nannte und mit dem sie sich ständig unterhielt; als sie das Programm durchlief, bat sie Emma sogar um Rat, wie sie antworten sollte.
Sie hatte jegliche Beteiligung an den Morden bestritten, selbst als man sie in ihrem Keller mit den Leichen konfrontierte, und als Beweis ihrer Unschuld legte sie Notizbücher voller Kritzeleien vor, von denen sie behauptete, es seien Botschaften von Emma. Nach Aktenlage waren die Notizen alle in ihrerHandschrift verfasst. Ihr Blick war ausdruckslos, und sie leckte sich ständig die Lippen, während sie mit mir sprach. Laut dem blinkenden Cursor im Beaverbrook-Programm war sie ein schwerer Schizophreniefall und brauchte Hilfe. Sie zeigte die meisten primären Symptome für Schizophrenie: Störungen des Gedächtnisses und der Orientierung, das Hören von Geräuschen (Emma Wilsons Stimme in ihrem Kopf) sowie primäre Wahnvorstellungen (sie behauptete steif und fest, dass der Beamte, der sie festgenommen
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