Der Wettflug der Nationen
wird nicht versagen, Mr. Sharp. Ich traue den Eggerth-Werken einiges zu. Bis zu ihrer letzten Meldung war die Seeschwalbe unser schärfster Konkurrent. Sie lag der Zeit nach etwas vor den Italienern und nur ganz wenig hinter den Engländern und Franzosen. Ich glaube, sie wird das Rennen besser durchstehen, als es unseren Bay City-Leuten am Ende lieb ist.“
„Hoffen wir, daß nichts passiert, mein lieber Bourns. Ich will Ihnen nicht verhehlen, daß ich in Sorge bin. Durch das Testament unseres unvergeßlichen Morgan Reading waren wir ja bei der Ausschreibung des Rennens gebunden. Wir mußten es jeder Nation überlassen, sich ihre eigene Route zu wählen. Aber jetzt, da das Rennen seit neun Stunden im Gange ist, denke ich doch über manches anders. Die Sicherheit könnte viel größer sein, wenn alle Teilnehmer dieselbe Strecke abflögen. Man hätte dann die Hilfsstationen dichter legen können.“
Während er die letzten Worte sprach, deutete Phileas Bourns auf einen Morseschreiber, der eben zu klappern begann.
„Der Empfänger für die Seeschwalbe, Mr. Sharp. Sie meldet sich. Hören wir, was sie zu sagen hat.“
Ein Funker kam mit dem Telegrammstreifen, um ihn in das Protokollbuch zu übertragen. Über dessen Schulter gebeugt, las John Sharp: „Seeschwalbe auf Kurs Los Angeles—Mani-hiki-Insel, passierte 21 Uhr Ostzeit 7. Grad nördlicher Breite.“
„Also ist sie wieder da“, lachte Bourns und klopfte Sharp auf die Schulter. „Machen Sie sich keine unnötigen Sorgen. Es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wurde.“
Winzige, in der Unendlichkeit verlorene Punkte waren die einzelnen Maschinen über dem grenzenlosen Weltmeer. Nur durch ihre Funkgeräte konnten sie Lebenszeichen geben, Nachrichten empfangen, untereinander und mit der übrigen Welt in Verbindung treten. Fast alle im Rennen befindlichen Flugzeuge machten von dieser Möglichkeit Gebrauch, nur >St 1< zog es vor, sich auch weiter in Schweigen zu hüllen.
Das Stratosphärenschiff ging und kam, wie es ihm beliebte, ohne sich vorher anzumelden. Um achtzehn Uhr dreißig Minuten nach New Yorker Zeit hatte es San Pedro mit frischem Öl in den Tanks verlassen, um der Seeschwalbe auf ihrem Kurs nachzujagen. Schon um zwanzig Uhr, was für Los Angeles fünf Uhr abends war, wurde Mr. Stonefield wieder in seiner sauer verdienten Feierabendruhe gestört. Neuen Treibstoff forderten Hansen und Berkoff von ihm. Kopfschüttelnd gab Stonefield seine Befehle, kopfschüttelnd sah er, wie Faß um Faß in den Bauch des Flugzeuges gepumpt wurde. Bis auf den letzten Tropfen schienen die Behälter leer zu sein. Vergeblich suchte er für das alles eine Erklärung, denn undenkbar schien es ihm, daß >St 1< in der kurzen Zeit von anderthalb Stunden die Seeschwalbe einholen, mit Treiböl versehen und sogar schon wieder zurück sein könne. Als die Füllung beendet war und die Barkasse mit den leeren Fässern zum Kai zurückkehren wollte, riskierte er eine Frage. Wolf Hansen machte eine beruhigende Handbewegung.
„Alles in Ordnung, Mr. Stonefield! Die Seeschwalbe ist das Sprengöl los. Das infame Zeug liegt im Pazifik. Einen hübschen Fettfleck hat's da in der See gegeben. Good by, Sir!“
Während die Barkasse zum Kai zurückkehrte, nahm Mr.
Stonefield seine Finger zu Hilfe, um etwas auszurechnen, doch er kam damit nicht zu Rande. In seinem Office griff er nach Papier und Bleistift. Er rechnete einmal, zweimal... zum drittenmal und warf dann den Bleistift verzweifelt auf das Papier. War er verrückt geworden, oder was war sonst eigentlich los? Dreimal war er bei seiner Rechnung zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Mit etwa 2.400 Stundenkilometern mußte das Stratosphärenschiff geflogen sein, wenn nicht etwa ... Eine Idee ging ihm durch den Kopf. War die Seeschwalbe schon früher niedergegangen und hatte auf >St 1< gewartet? Aber warum? Zu welcher Zeit? Irgendwie gewarnt?
Alles Fragen, auf die Mr. Stonefield keine Antwort fand. Und doch mußte irgend etwas Ähnliches geschehen sein, denn das war ja bestimmt ausgeschlossen, daß >St 1< etwa die wahnsinnige Geschwindigkeit von über zweitausend Stundenkilometer, die er eben ausgerechnet hatte, wirklich erreicht haben sollte. Würde er das an das Rockefeller-Haus melden, man würde ihn dort für übergeschnappt halten und wahrscheinlich sofort von seinem Posten abrufen. Das wollte er auf jeden Fall vermeiden. Der Job hier war gut, und solange es ging, wollte er ihn ausnutzen.
Sollte er überhaupt etwas
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