Der Widersacher
Briefkastenschlüssel. Komm.«
Sie gingen zu den Briefkästen, und Bosch probierte die Schlüssel an den Briefkästen von Zeile 6 aus. Die Briefkästen von 6 A und 6 B ließen sich damit öffnen. Auf dem Namensschild von 6 A stand Drew. Bosch fasste das als einen Versuch Hardys auf, witzig zu sein. Nancy Drew, die in Los Alamitos Tür an Tür mit den Hardy Boys wohnte.
»Also, wir haben in Hardys Besitz zwei Briefkastenschlüssel gefunden«, sagte Bosch. »Deswegen sehen wir hier nach und merken, dass er zwei Briefkästen hat. Einen für 6 A und einen für 6 B. Außerdem fällt uns dabei auf, dass er zwei Sicherheitsschlüssel hat, und das wiederum deutet darauf hin, dass er auch Zugang zu den Reihenhäusern 6 A und 6 B hat. Deshalb prüfen wir die Grundbucheinträge und stoßen auf die Eigentumsüberschreibung von 6 B auf den Vater. Das kommt uns spanisch vor, weil die Überschreibung unserer Meinung nach zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als sich der Sohn bereits als der Vater ausgegeben hat. Deshalb müssen wir in 6 A nachsehen, ob der alte Herr dort vielleicht festgehalten wird. Wir klingeln, aber niemand meldet sich, und jetzt wollen wir die Erlaubnis, reinzugehen.«
Chu nickte. Es gefiel ihm.
»Das könnte klappen. Möchtest du, dass ich es so in den Antrag reinschreibe?«
»Ja. Tu das. Aber geh dazu nach drinnen, damit du Hardy im Auge behalten kannst.«
Bosch wog den Schlüsselbund in seiner Hand.
»Ich gehe inzwischen schon mal in 6 A nachsehen, ob es den Aufwand auch wert ist.«
Das nannte man dem Durchsuchungsbeschluss vorgreifen. Sich in einer Wohnung umsehen, bevor ein Richter die Durchsuchung offiziell genehmigt hatte.
Wenn so etwas herauskam, konnte man als Polizist schnell seine Dienstmarke verlieren, wenn nicht sogar im Gefängnis landen. Tatsache war allerdings, dass Ermittler beim Beantragen eines Durchsuchungsbeschlusses häufig schon genau wussten, was sie in dem fraglichen Gebäude oder Fahrzeug finden würden. Das lag daran, dass sie sich dort bereits umgesehen hatten.
»Glaubst du, das ist wirklich nötig, Harry?«, fragte Chu.
»Ja. Wenn mir Hardy was vorgemacht hat, als ich ihn getäuscht habe, möchte ich das so schnell wie möglich herausfinden, damit wir nicht sinnlos unsere Zeit vergeuden.«
»Dann warte bitte, bis ich im Haus bin, damit ich nichts davon mitbekomme.«
Wie ein Oberkellner, mit ausgestrecktem Unterarm und leicht an der Hüfte abgewinkeltem Oberkörper, deutete Bosch auf die Tür von 6 B. Chu ging darauf zu, blieb aber nach wenigen Schritten stehen und kam wieder zurück.
»Wann sagen wir dem anderen LAPD , dass wir hier sind und was wir hier machen?«
»Welchem anderen LAPD ?«
»Dem Los Alamitos Police Department.«
»Vorerst noch nicht«, sagte Bosch. »Wenn wir den Durchsuchungsbeschluss genehmigt bekommen haben, können wir sie verständigen.«
»Das wird ihnen aber nicht gefallen.«
»Ihr Pech. Unser Fall, unsere Festnahme.«
Bosch wusste, dass ein Police Department in einer Größenordnung wie das von Los Alamitos vom »richtigen« LAPD mühelos ausgehebelt werden konnte.
Chu steuerte erneut auf die Tür von 6 B zu, und Bosch ging zum Auto zurück. Er öffnete den Kofferraum und nahm mehrere Paar Latexhandschuhe aus der Ausrüstungsbox und verstaute sie in seinen Jackentaschen. Für alle Fälle steckte er auch noch eine Taschenlampe ein, dann schloss er den Kofferraum wieder.
Er wollte gerade zur Tür von 6 A gehen, als aus 6 B lautes Geschrei ertönte. Es war Hardy.
Bosch änderte die Richtung und ging in Haus 6 B.
Hardy lag immer noch unter der Couch. Chu saß auf einem Stuhl, den er sich aus der Küche geholt hatte, und arbeitete an seinem Laptop. Als Bosch hereinkam, verstummte Hardy.
»Was soll dieses Geschrei?«
»Zuerst wollte er eine Zigarette. Jetzt will er einen Anwalt.«
Bosch blickte auf die umgekippte Couch hinab.
»Sobald Sie verhaftet sind, dürfen Sie telefonieren.«
»Dann verhaften Sie mich!«
»Zuerst müssen wir den Tatort sichern. Und wenn Sie weiter so rumbrüllen, müssen wir Ihnen einen Knebel anlegen.«
»Ich habe ein Recht auf einen Anwalt. Haben Sie selbst gesagt.«
»Sie dürfen telefonieren, wenn alle anderen auch telefonieren dürfen. Sobald Sie verhaftet sind.«
Bosch wandte sich zum Gehen.
»He, Bosch?«
Er drehte sich um.
»Waren Sie schon drüben?«
Als Bosch nicht antwortete, fuhr Hardy fort:
»Sie werden Filme über uns machen.«
Chu schaute von seinem Laptop auf und tauschte einen Blick mit
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