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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Bosch. Es gab Mörder, die auf ihre Infamie und die Angst, die sie verbreiteten, abfuhren. Die Fleischwerdung des Schwarzen Mannes, Großstadtlegenden, die zur Großstadtrealität wurden. Hardy hatte jahrelang im Verborgenen gelebt. Von jetzt an würde er im Scheinwerferlicht stehen.
    »Klar«, sagte Bosch. »Sie werden das berühmteste Arschloch in der Todeszelle.«
    »Ach was. Sie wissen ganz genau, es dauert mindestens zwanzig Jahre, bis mir vielleicht die Spritze verpasst wird. Wer, glauben Sie, wird mich im Film spielen?«
    Bosch antwortete nicht. Er trat vor die Tür und blickte sich beiläufig um, ob Fußgänger oder Autofahrer in der Nähe waren. Die Luft war rein. Er ging rasch zur Tür von 6 A und zog Hardys Schlüsselbund aus der Tasche. Er probierte einen der Sicherheitsschlüssel am Kastenschloss und hatte schon beim ersten Versuch Glück. Der Schlüssel passte auch in das Schloss im Griff. Er öffnete die Tür, ging nach drinnen und zog sie hinter sich zu.
     
    In der Diele blieb Bosch stehen und streifte sich ein Paar Latexhandschuhe über. Im Haus war es stockdunkel. Er strich mit der frisch behandschuhten Hand über die Wand, bis er einen Schalter fand.
    Eine schwache Deckenlampe entlarvte 6 A als Horrorkabinett. Vor den Vorderfenstern war eine schlecht verputzte Wand hochgezogen worden, die als Sicht- und Schallschutz diente und kein Licht ins Innere dringen ließ. Die vier Wände des Wohnzimmers waren mit Fotosammlungen und Zeitungsausschnitten über Mord und Folter und Vergewaltigung übersät. Zeitungen aus so weit entfernten Städten wie San Diego, Phoenix und Las Vegas. Meldungen über nicht aufgeklärte Entführungen, Leichenfunde und Vermisstenmeldungen. Wenn diese Verbrechen Hardys Werk waren, war er zweifellos viel unterwegs gewesen. Sein Jagdrevier war riesengroß.
    Bosch betrachtete die Fotos. Unter Hardys Opfern befanden sich sowohl junge Männer als auch Frauen. Sogar einige Kinder. Bosch ging langsam die Wände entlang und studierte die grausigen Bilder. Als er zu einer vollständigen Titelseite der
Los Angeles Times
kam, blieb er stehen. Sie war vergilbt und brüchig, und neben dem Foto eines lächelnden Mädchens wurde von ihrem Verschwinden aus einer Mall im West Valley berichtet. Bosch beugte sich vor und las den Artikel, bis der Name des Mädchens genannt wurde. Er kannte den Namen und den Fall, und jetzt wurde ihm auch klar, warum ihm die Adresse auf Hardys Führerschein bekannt vorgekommen war.
    Schließlich riss er sich von den grausigen Bildern los. Das war nur eine vorläufige Durchsuchung. Er durfte sich nicht zu lang mit ihr aufhalten. Als er zu der Tür kam, die in die Garage führte, und noch bevor er sie öffnete, wusste er, was er dort finden würde. Und tatsächlich stand dort ein weißer Lieferwagen. Das wichtigste Requisit bei Hardys Entführungen.
    Es war ein relativ neuer Dodge. Bosch schloss ihn mit dem Autoschlüssel auf und schaute hinein. Bis auf eine Matratze und eine Werkzeugwand mit zwei Rollen Klebeband war er leer. Bosch steckte den Schlüssel ins Zündschloss und startete den Motor, um den Kilometerstand zu checken. Der Lieferwagen hatte über 140 000  Meilen auf dem Tacho, ein weiterer Hinweis für die Ausdehnung von Hardys Jagdrevier. Bosch machte den Motor aus und schloss den Wagen wieder ab.
    Er hatte genug gesehen, um zu wissen, womit sie es zu tun hatten. Trotzdem zog es ihn nach oben. Zuerst schaute er ins vordere Schlafzimmer. Dort gab es keinerlei Möbel, nur mehrere kleine Kleiderhaufen. T-Shirts mit den Konterfeis von Popstars, mehrere Jeans, Haufen, die nur aus BH s und Unterwäsche oder Gürteln bestanden. Die Kleider der Opfer.
    Die Tür des begehbaren Kleiderschranks war mit einer Überwurffalle und einem Vorhängeschloss gesichert. Bosch holte den Schlüsselbund heraus und steckte den kleinsten Schlüssel in das Vorhängeschloss. Er passte. Bosch öffnete die Schranktür und drückte den Schalter an der Außenwand. Der kleine Raum war leer. Wände, Decke und Fußboden waren schwarz gestrichen. Aus der hinteren Wand ragten etwa einen Meter über dem Boden zwei massive Ringschrauben. Hier hatte Hardy zweifellos seine Opfer eingesperrt. Bosch dachte an die Menschen, die in diesem Loch geknebelt und an die Ringschrauben gefesselt ihre letzten Stunden verbracht und darauf gewartet hatten, dass Hardy ihrem Leiden ein Ende setzte.
    Im hinteren Schlafzimmer war ein Bett mit einer unbezogenen Matratze. In der Ecke stand ein Fotostativ ohne Kamera

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