Der Widersacher
Fall. Ich erinnere mich noch, dass es ein bisschen wie ein Schloss ausgesehen hat und dass ich es ganz toll fand, hier zu wohnen. Natürlich konnte ich da noch nicht ahnen …«
Er verstummte und betrachtete nur noch das Haus. Er hatte sich zur Seite gedreht und Bosch den Rücken zugekehrt. Und plötzlich ließ er die Stirn gegen das Fenster sinken, und seine Schultern begannen zu beben. Er gab ein leises pfeifendes Geräusch von sich und begann zu weinen.
Bosch hob die Hand, um sie Pell auf die Schulter zu legen. Aber dann hielt er inne und zog sie nach kurzem Zögern wieder zurück. Stone hatte sich auf dem Beifahrersitz umgedreht und alles mitbekommen. In diesem kurzen Moment sah Bosch ihre Empörung über sein Verhalten.
»Ist ja gut, Clayton«, sagte sie. »Bestimmt hilft es Ihnen, sich das alles noch mal anzusehen und sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.«
Sie streckte den Arm über den Sitz und tat, wozu Bosch nicht in der Lage gewesen war. Sie legte Pell die Hand auf die Schulter und sah Bosch nicht wieder an.
»Ist ja gut«, sagte sie noch einmal.
»Hoffentlich schnappen Sie dieses Schwein«, stieß Pell mit gepresster Stimme hervor.
»Keine Angst«, sagte Bosch. »Das werden wir.«
»Hoffentlich geht er drauf, diese Drecksau. Hoffentlich wehrt er sich, und Sie legen ihn um.«
»Nicht doch, Clayton«, sagte Stone. »An so etwas wollen wir lieber nicht …«
Er wischte ihre Hand von seiner Schulter.
»Verrecken soll er!«
»Nein, Clayton.«
»Doch! Sehen Sie mich doch an! Was ich bin! Und alles nur wegen ihm.«
Stone drehte sich wieder nach vorn.
»Ich glaube, das reicht jetzt«, erklärte sie unwirsch. »Clayton hat genug durchgemacht. Könnten wir jetzt wieder zurückfahren?«
Bosch streckte den Arm über den Sitz und tippte Chu auf die Schulter.
»Fahren wir.«
Chu ordnete sich in den Verkehr ein und fuhr in Richtung Norden. Im Auto wurde während der ganzen Fahrt kein Wort gesprochen, und als sie im Buena Vista eintrafen, war es schon dunkel. Chu blieb im Auto, als Bosch Pell und Stone zum Tor brachte.
»Danke, Clayton«, sagte Bosch, als Stone das Tor aufschloss. »Ich weiß, das war gerade sehr schwer für Sie. Umso höher rechne ich es Ihnen an, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben. Es wird uns bei den Ermittlungen bestimmt weiterbringen.«
»Werden Sie ihn denn auch wirklich fassen?«
Nach kurzem Zögern nickte Bosch.
»Ich glaube schon. Es gibt zwar noch einiges zu tun, aber wir bekommen das hin. Das verspreche ich Ihnen.«
Ohne ein weiteres Wort ging Pell durch das offene Tor.
»Holen Sie sich in der Küche noch was zu essen«, rief ihm Stone hinterher.
Pell ging in Richtung Innenhof und hob zum Zeichen, dass er sie gehört hatte, die Hand. Stone drehte sich um, um das Tor abzuschließen, aber Bosch stand noch da. Sie schaute zu ihm auf, und er konnte die Enttäuschung in ihrer Miene sehen.
»Dann wird wohl doch nichts aus unserem Abendessen«, sagte er.
»Wieso? Ist was mit deiner Tochter?«
»Nein, sie ist bei einer Freundin. Es ist nur … na ja, ich dachte … nein, ich würde schon gern essen gehen. Ich muss vorher nur noch meinen Partner zu seinem Auto in Studio City bringen. Aber willst du überhaupt noch mit mir essen gehen?«
»Klar, aber nicht erst um acht. Nach diesem Ausflug … ich glaube, das war genug für heute.«
»Okay. Dann setze ich kurz Chu ab und fahre von dort zu dem Restaurant weiter. Oder soll ich noch mal herkommen und dich abholen?«
»Nein, nein, nicht nötig. Wir treffen uns dort.«
[home]
23
S ie kamen eine halbe Stunde früher als geplant in das Restaurant und bekamen im hinteren Teil einen ruhigen Tisch neben einem Kamin. Sie bestellten Pasta und einen Chianti, den Hannah ausgesucht hatte. Das Essen war gut, und sie redeten nicht viel – bis Stone Bosch ganz direkt darauf ansprach.
»Harry, warum hast du Clayton heute im Auto nicht getröstet? Ich habe es gesehen. Du hast es nicht über dich gebracht, ihn anzufassen.«
Bosch nahm einen kräftigen Schluck Wein, bevor er zu einer Antwort ansetzte.
»Irgendwie dachte ich, er wollte nicht angefasst werden. Er war innerlich sehr aufgewühlt.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, Harry, ich habe es genau gesehen. Und ich möchte unbedingt wissen, warum jemand wie du kein Mitgefühl für jemand wie ihn haben kann. Das muss ich wissen, bevor ich mich … bevor sich zwischen dir und mir mehr entwickelt.«
Bosch blickte auf seinen Teller hinab. Er legte seine Gabel
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