Der Widerschein
ihren Kunden.
Bros betrachtete erstaunt das Geschehen.
Insgeheim hatte er sich den berühmten Amsterdamer Marktplatz um einiges größer und imposanter vorgestellt, dennoch war auch dieser tatsächliche Anblick fraglos ein Bild wert. Ja, wenn er es genau besah, dann strotzte dieser unscheinbare Platz bei genauerem Hinsehen nur so von Motiven und Farben, Vielfalt und Ausdruckskraft. Nach einigen vergleichenden Blicken zu Ferdinands Zeichnung war Bros glücklich über diese gute Wahl seines Lehrlings.
In einem Anflug von Stolz wollte er sich lobend an Ferdinand wenden, als er unter einem der Marktstände eine Gestalt sah, die Bros verdutzte: Ein Menschlein – weder jung noch alt, weder Mann noch Frau – hockte da und linste über den Platz herüber und tat es Ferdinand gleich, nur von der anderen Seite: Dieses Wesen zeichnete Ferdinand. Ferdinand inmitten der Massen – das war ein Motiv für dieses Wesen; das war etwas, was so wertvoll war, dass man es festhalten musste, für die Zukunft, auf Papier, als Abbild der Wirklichkeit, als Beweis.
Nicht er, Bros, sondern Ferdinand war berühmt – so zuckte es Bros durchs Hirn. Er, Bros, hatte es mitnichten geschafft! Nicht er stand an der Schwelle zum Ruhm, sondern Ferdinand!
Jetzt musste er handeln! Sofort!
Schon war Ferdinand fertig, schon traf die Stadtwache ein, um die Ursache des Aufruhrs zu überprüfen, und die Menge im Hintergrund geriet zuletzt vollkommen außer Kontrolle.
Deshalb wagte Bros einen Schritt, den er später als die Geburtsstunde seines Ruhmes bezeichnete.
Er langte in eine der Kisten, zog ein Werk Ferdinands heraus, hielt einen jungen zerlumpten Burschen an, der an Bros vorbei einen Blick auf Ferdinand erhaschen wollte, drückte ihm den Bogen und ein nicht zu großes Geldstück in die Hand und sagte, er solle so schnell wie möglich einen Ort finden, an welchem er die Bilder ausstellen und verkaufen könne, am besten in der Nähe in einer Schänke oder so und schnell, schnell, mein Kleiner!
Der Bursche, etwa in Ferdinands Alter, stand staunend zwei Sekunden vor Bros, dann sauste er davon, zwängte sich zwischen Mensch und Tier aus dessen Blickfeld – Bros fürchtete schon, ihn zum letzten Mal gesehen zu haben –, um keine zwei Minuten wieder neben ihm zu stehen und stolz lächelnd zu verkünden, er habe einen Raum gefunden, einen Schankraum, direkt am Platz, der Wirt bereite alles vor.
Keine Sekunde zu früh!
Schon zog Bros seinen Lehrling an sich heran, zwängte ihm Kisten und Bilder unter den Arm und ließ sich von dem Jungen quer durch die Massen und hin zu dem gemieteten Raum führen, dicht gefolgt von Volk, Gekreische und zahlreichen bewaffneten Wachleuten.
* * *
Bros zu Hause musste diese Geschichte ein ums andere Mal erzählen: Wie er im Schankraum die Bilder mit Schnüren, Haken und Wäscheklammern an der Decke befestigt hatte; dass der Raum vor lauter Menschen aus allen Nähten zu platzen drohte und es davor zu zahlreichen Prügeleien mit der Stadtwache gekommen war, welche die Menge auseinanderzutreiben versuchte; wie sich ihm die Leute aufgedrängt hatten, die Bilder kaufen zu dürfen, ihm Kaufverträge auf Lebenszeit anboten, wie die Wachleute den Raum stürmen wollten und nur durch ein original von ihm signiertes Bild an den Hauptmann beruhigt werden konnten, wie die Leute sich beim Verkauf immer wieder überboten hatten, wie er gelobt worden sei für seine Bilder und so weiter und so fort.
Bros liebte diese Geschichten, auch wenn einige Details natürlich nicht ganz der Wahrheit entsprachen oder erst überhaupt nicht erwähnt wurden.
Der Meister verschwieg nämlich nicht nur, dass er sich vorsorglich jenes Bild hatte beschaffen lassen, welches den umringten Ferdinand vor dem Amsterdamer Marktplatz präsentierte – auch sonst war von seinem Lehrling in der Geschichte kaum die Rede.
Nur, wenn er sich in eine zu übertriebene Hochstimmung hineingeredet hatte, band er Ferdinand – den er aus solchen Gesprächsrunden verständlicherweise sorgfältig heraushielt – wohlwollend mit in die Geschehnisse ein: Sein neuer Lehrling habe mit seinem Bild den Grundstein des Erfolgs gelegt. Nein, eigentlich sei es überhaupt nichts Besonderes; eine solide Zeichnung des berühmten Amsterdamer Marktes.
Aber die Aktion an sich habe eben die gebündelte Aufmerksamkeit der Menschen auf ihn, Bros, gezogen, und er habe die Situation letztlich gut erkannt und die Gunst der Stunde nutzen können; er sei Ferdinand für diesen günstigen
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