Der Widerschein
*
Seit seiner triumphalen Rückkehr aus Amsterdam ging es mit Bros aufwärts.
Zum Verdruss der Nachbarn war er allerdings nur zu Beginn spendabel, gab ein, zwei Feste, erzählte viel und teilte mit allen, die er kannte oder die ihn zu kennen meinten.
Kaum aber, dass er Haus und Werkstatt erneuert und erweitert hatte, schloss Bros sich ein, reduzierte seine regelmäßigen Kontakte auf ein Minimum und hortete sein Geld in extra geschmiedeten Kisten und Truhen. Wenn man ihn einmal zu Gesicht bekam, dann in Begleitung hochrangiger Boten oder sogar prominenter Persönlichkeiten – Bros trat nun selbst nur noch als Mann von Welt auf.
Und was er nicht für Besuch bekam!
Honoratioren, von denen die Leute seiner Heimatstadt bisher nur aus Erzählungen wussten: Abgesandte der spanischen Krone, französische Eskorten, Boten englischer Lords und einmal sah man sogar einen von preußischen Soldaten flankierten Kurier, sichtlich um die Gunst des niederländischen Malers bemüht.
Bros verschwand von nun an aus dem täglichen Leben – ebenso wie sein Lehrling Ferdinand, von dem in der Bevölkerung ohnehin kaum jemand Notiz nahm oder überhaupt nehmen konnte. Denn Ferdinand verbrachte seine Tage nun damit, den täglich zahlreicher werdenden Aufträgen und Bestellungen nachzukommen.
Zu Beginn versuchte Bros noch, seinen Lehrling mit den gängigen Techniken der Komposition vertraut zu machen – mit mäßigem Erfolg. Zwar gehorchte Ferdinand, wenn Bros ihn beauftragte, Elemente verschiedener Bilder auf eine gemeinsame Leinwand zu übertragen; die Ergebnisse wirkten jedoch erstaunlich hölzern und flach.
Den geringsten Effekt zeigten Bros’ Bemühungen, Ferdinand mit Motiven, Symbolen und deren tieferen Bedeutungen vertraut zu machen. Kaum, dass Bros von derartigen Dingen zu erzählen begann, dauerte es nicht lange, bis sein Lehrling den Kopf hängen ließ und dann innerhalb weniger Augenblicke einschlief. Bros gab auf: Das führte zu nichts.
Aufgrund der vielen Anfragen wurde die Zeit glücklicherweise derart knapp, dass er schnell vergaß, wie kläglich seine anfänglichen Lehrversuche ausgesehen hatten.
Bald war Bros völlig seinem wunderbaren Delirium verfallen.
* * *
Während seiner Lehrlingszeit fertigte Ferdinand Woche für Woche unzählige Bilder – immer an der Seite des Meisters, der peinlich genau darauf achtete, dass niemand einen Blick auf die Leinwand oder überhaupt in die Werkstatt werfen konnte, bevor das Werk vollendet war. Zur Sicherheit ließ Bros einen blickdichten Wandschirm anfertigen und um die Staffelei herum aufstellen, damit niemand in Versuchung geführt wurde, ihn bei seiner Tätigkeit heimlich zu beobachten.
Selbst die Meisterin – mit der Bros kaum noch sprach, so sehr war er Ferdinands Bildern verfallen – war von dieser Regelung nicht ausgenommen.
Nein, man dürfe ihn nicht im Moment seiner Arbeit beobachten; es bringe Unglück, wenn man als Maler von neugierigen Blicken abgelenkt werde.
Kunst erfordere Disziplin und Konzentration.
Bilder betrachte man erst, wenn sie fertig seien, nicht im Prozess der Entstehung: Ein Kleidungsstück trage man schließlich auch erst dann, wenn es fertig geschneidert sei.
Diese Argumentation bewährte sich vorzüglich: Fürsten schickten ihren Hofstaat vor die Tür, Könige erbaten sich absolute Ruhe, und bald erwirkte Bros, dass jede Annäherung an die Leinwand während seiner Arbeit unter Strafe gestellt wurde.
Allein sein Lehrling hatte ihm als Gehilfe immer zur Seite zu stehen.
Bros selbst malte natürlich nicht mehr. Während öffentlicher Aufträge verharrte er gemeinsam mit Ferdinand hinter der Leinwand und bemühte sich, von dessen Kunstfertigkeit nicht zu sehr verzaubert zu werden. So oft wie möglich warf er schauspielerische Blicke zum Porträtierten, machte altkluge Kommentare und hantierte pantomimisch mit Pinsel und Palette umher.
Ferdinand genügte ein einziger Blick auf das zu malende Objekt; im Nu verwandelte er das Gesehene dann in Öl und Farbe.
Unter jedes fertige Werk setzte Bros selbstverständlich seinen Namen.
Ferdinand Meerten – das war kein Name, mit dem man unterschreiben könne; viel zu lang und dadurch mehr als unästhetisch. Allein kurze Namen hätten Stil.
Außerdem war ja nicht ein Ferdinand Meerten vom Auftraggeber bestellt worden, sondern ein Meister Bros.
* * *
Das Einzige, was Bros mit seiner Frau noch regelmäßig besprach, war das Thema Geld.
Früher hatte sich die Meisterin allein um die Auslagen und
Weitere Kostenlose Bücher