Der Widerschein
schrie ungeniert auf, weder die Insassen noch seine Wärter brachten ihm – als Oberaufseher dieser Institution! – den nötigen Respekt entgegen.
Was ging hier vor sich!?
Huygens fuhr im Gehen die umhereilenden Gestalten barsch an.
Wie konnte es sein, dass sich seine Angestellten augenscheinlich von einem der Insassen herumkommandieren ließen? Wo war dieser Brown – der sollte sich wundern!
Wütend schritt er auf den Vorhang zu, einer der Wärter versperrte ihm im letzten Moment den Weg. Es täte ihm leid, Herr Oberaufseher, aber auf Anweisung des Arztes Brown dürfe man ihn nicht eintreten lassen; es sei zu seiner eigenen Sicherheit.
Anweisungen? Arzt? Sicherheit?
Als Leiter dieser Anstalt habe allein er die Befugnis, derartige Befehle zu erteilen!
Aus dem Weg, sofort!
Der Wärter rührte sich nicht, hinter ihm wurde der Vorhang zur Seite gezogen; Brown erschien in der Öffnung, ließ den behandelten Patienten abholen, trat auf Huygens zu, schickte den pflichtbewussten Wärter zur Seite.
Der Herr Kommandant sei wieder wohlauf, das freue ihn. Ob sein Gespräch zu seiner Zufriedenheit verlaufen sei? Wie er höre, sei ja sein Assistent Ferdinand Thema der Auseinandersetzung gewesen.
Huygens lief hochrot an. Keinem der Wärter hatte er nur ein Wort über den Inhalt seiner Diskussion mit diesem Gerlach verraten! Und nun wusste schon Brown – der am anderen Ende des Hauses die Leitung seiner Angestellten übernommen hatte – über die Details genaustens Bescheid! Wände mit Ohren, in seinem eigenen Haus! Das ging zu weit!
Ohne Vorwarnung zog Huygens seinen Säbel hervor, versetzte dem vorlauten Arzt mit dem massiven Knauf einen empfindlichen Schlag ins Gesicht – Brown ging in die Knie.
Von nun an höre wieder alles auf sein Kommando, donnerte Huygens. Für solche Spielereien sei keine Zeit mehr! Übermorgen sei der Jahrestag! Statt sich mit diesen überflüssigen Behandlungen aufzuhalten, hätte man bereits weitere Proben durchführen können, die beschädigten Materialien seien auch nicht repariert – das werde Konsequenzen für alle Beteiligten haben!
Eine gewaltige Stille breitete sich aus, selbst die verletzten Idioten schwiegen andächtig.
Huygens zitterte; schon meinte er, aus den Rissen der Wände jene unbeschreibbare Angst durchsickern zu sehen – er musste endlich diese Schlacht durchführen!
Er wurde letztlich noch wahnsinnig von diesen verfälschten Erinnerungen!
Folgendes sei sofort auszuführen: Alle auf dem Gang befindlichen Personen eskortiere man unverzüglich in den Krankenkeller. Die Toten oder Unheilbaren schaffe man fort, die übrigen einsatzfähigen Insassen erwarte er im Laufe der nächsten Stunde im Hof.
Er wandte sich Brown zu, der zurückgewichen war und nicht wagte, den Kopf zu heben.
Wo sei dieser Ferdinand? An diesem werde er jetzt ein Exempel statuieren, als Urheber dieser ganzen Unannehmlichkeiten, dieser Unordnung!
Brown atmete ruhig ein und aus, machte aber keinerlei Anstalten, auf seine Frage zu antworten. Der Säbelknauf sauste erneut durch die Luft, Brown fiel um: Blut lief seine Wange herunter. Mit einem weiteren Hieb zerteilte Huygens den Vorhang, riss den Rest mit der freien Hand herunter, betrat den Raum.
Der große Tisch, der verhüllte Stuhl, dahinter Ferdinand – dessen Hände lagen auf der unsichtbaren Stuhllehne, das Licht der Fackeln spiegelte sich in seinen Augen.
Er entschuldige sich für die Amtsanmaßung, drang von hinten Browns Stimme an Huygens heran; es sei nie seine Absicht gewesen, die Autorität des Kommandanten in Frage zu stellen. Aber, in seinem eigenen Interesse, er möge diesen Ort bitte umgehend verlassen, er könne sonst für nichts garantieren.
Überrascht hielt Huygens inne, horchte den Worten des Engländers hinterher, warf einen erneuten Blick auf die Dinge um ihn herum: Blutlachen sickerten gemächlich in den Fußboden hinein; auf dem Tisch erkannte man eine Handvoll Gegenstände: eine stumpfe Säge, ein nach Schwefel stinkendes Töpfchen, ein blutverschmiertes Stück Stoff, eine flackernde Kerze, eine Nadel, etliche Fadenreste und eben Ferdinand – mehr gab es nicht zu entdecken.
Der große Arzt Howard Brown, lachte Huygens plötzlich laut auf, er sei in Wahrheit ein echter Komiker. Säge, Riechsalz, Wischtuch: Er sei in seinem Leben mit vielen Waffen bedroht worden – Huygens drehte sich Brown vollends zu –, aber mit einem nahezu leeren Raum noch nie. Er danke ihm sehr für diese gelungene Vorstellung, seine Laune
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