Der widerspenstige Highlander
begreifen konnte, hatten sie schon Lenalor erreicht.
Wenigstens würde er da ein bisschen Ruhe vor der Frau an seiner Seite finden können und den beunruhigenden Gedanken, die sie in ihm wachrief.
»Was für ein hübsches Dorf«, bemerkte Nora, als sie in den kleinen Ort ritten. Es war schon lange nach Anbruch der Dunkelheit, und die meisten Menschen waren in ihren Häusern. Anheimelnder Feuerschein drang durch die Ritzen von Türen und Fenstern.
»Nicht besonders groß«, fuhr Nora fort, »aber ausreichend.«
Ewan wahrte sein Schweigen, als sie sich zum Haus des Brauers begaben, das am Ende der Häuserreihe entlang der Straße stand, die durch den Ort führte.
Der alte Aenos, der Braumeister, liebte es, den einzigen Mann zu sehen, der ihn unter den Tisch trinken konnte, und er hasste es, wenn Ewan wieder aufbrechen musste.
Ewan brachte sein Pferd zum Stehen und stieg vor Aenos’ Tür ab, er klopfte an.
»Ich hab’ geschlossen«, ertönte die barsche Stimme des alten Mannes von innen. »Wer auch immer du bist, du solltest dich besser ...« Er brach ab, als er die Tür aufriss und Ewan erblickte.
Aenos’ Miene und sein Verhalten hellten sich augenblicklich auf.
»Ewan!« Er lachte und klopfte ihm auf die Schulter. »Hab mein Ale zu früh ausgetrunken, was? Nun, kommt herein, Mylord. Ich hab noch genug, um Euch glücklich zu machen.«
Ewan wollte gerade eintreten, als ihm auffiel, dass Nora nicht neben ihm stand. Er drehte sich um und sah sie immer noch auf ihrem Pferd sitzen, den Boden zweifelnd betrachtend.
Mit einem unwilligen Knurren murmelte er eine Entschuldigung zu Aenos und ging mit langen Schritten zu ihr. »Herunterzuspringen wird Euch nicht umbringen.«
»Nein, aber ich könnte mir dabei das Bein brechen. Oder den Knöchel verstauchen. Seid Ihr immer so unhöflich, eine Dame sich selbst zu überlassen?«
»Ich bin es nicht gewohnt, in Gesellschaft einer Dame zu sein, ohne dass meine Brüder ebenfalls anwesend wären.« Ewan biss die Zähne zusammen, sobald die Worte seinen Mund verlassen hatten. Er konnte nicht glauben, dass er das zu ihr gesagt hatte.
»Was meint Ihr damit?«, fragte sie.
»Nichts.« Er half ihr vom Pferd und tat sein Bestes, nicht
zu bemerken, wie herrlich sie sich in seinen Armen anfühlte.
Die Empfindungen, die sie in ihm weckte, als sie an ihm hinabglitt...
Es kostete ihn seine ganze Selbstbeherrschung, sich nicht vorzubeugen und ihren süßen, weiblichen Duft in tiefen Zügen einzuatmen. Diesen angenehmen Geruch über sich hinwegspülen zu lassen, bis er wieder trunken war.
Er hatte sie gerade erst vor sich abgesetzt, als die alte Sorcha, Aenos’ Frau, erschien, um die Gäste zu begrüßen. Ein Teil von ihm hasste es, dass sie sich zu ihnen gesellte, aber seine Vernunft gewann die Oberhand, sodass er froh über die Ablenkung war.
Sorchas langes graues Haar umrahmte in zwei Zöpfen ihr Gesicht, und sie hielt mit einer Hand den Umhang um ihren Schultern zusammen. Ihre grauen Augen blitzten fröhlich und gescheit.
Ewan kannte sie schon sein ganzes Leben lang. Sie war für ihn fast so etwas wie eine zweite Mutter, und er mochte sie sehr gerne.
»Mylord.« Die ältere Frau strahlte. »Aenos hat mir gar nicht gesagt, dass Ihr diesmal Gesellschaft mitgebracht habt, und noch dazu eine Frau! Seid Ihr am Ende vielleicht endlich sesshaft geworden und habt geheiratet?«
»Nein, Sorcha. Ich bringe sie nur zu meinem Bruder.«
Er ließ Nora in Sorchas Obhut zurück und führte die Pferde um das Haus herum zu Aenos’ Lehrling, der neben seiner Arbeit auch noch die Pflichten des Stallburschen versah.
Nora sah ihm hinterher und schüttelte den Kopf. »Seine Manieren sind entsetzlich«, bemerkte sie leise, dann wandte sie sich zu der alten Frau um. »Ich heiße Nora.«
Die Frau lächelte mit mildem Tadel. »Seid nicht so hart mit dem Jungen, Mylady. Er ist ein bisschen ruppig, aber er hat ein gutes Herz.«
»Das hält er aber gut versteckt.«
Die Frau fasste sie vertraulich am Arm, als würde sie sie schon ihr ganzes Leben lang kennen, und führte sie ins Innere des schmalen Hauses. »Soll ich Euch Eure Frage beantworten?«
»Welche Frage?«
»Die, die Ihr ihm eben gestellt habt, was er damit meint, nicht ohne seine Brüder in der Gegenwart von Frauen zu sein.«
»Ja, bitte.«
»Habt Ihr je einen seiner Brüder kennen gelernt?«
»Nein.«
»Nun, ich kenne sie alle. Als ich noch bei seiner Mutter in Diensten stand, habe ich ihnen oft genug die Nasen geputzt. Sie
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