Der widerspenstige Planet
beschäftigt, die Menge wieder auseinanderzutreiben, die sich um sie gebildet hatte.
»Ist gut, Leute, alles vorbei! Weitergehen!«
Die Menge löste sich auf.
Blaine stand auf und klopfte sich ab. »Was war denn das?«, fragte er.
»Das war doch ein Amokläufer, Sie Dummkopf«, sagte das sommersprossige Mädchen. »Haben Sie denn nichts gesehen?«
»Ich hab’s gesehen. Gibt es hier viele davon?«
Sie nickte stolz. »New York hat mehr Amokläufer als jede andere Stadt auf der Welt, mit Ausnahme von Manila. Wir haben etwa fünfzig im Jahr.«
»Mehr«, meinte ein vorbeikommender Mann. »Vielleicht siebzig, achtzig im Jahr. Aber dieser hier war nicht besonders gut.«
Um Blaine und das Mädchen hatte sich eine kleine Gruppe gebildet. Die Leute diskutierten über den Amokläufer auf ähnliche Weise, wie Blaine es bei Fremden in seinem Zeitalter erlebt hatte, die über einen Autounfall redeten.
»Wie viele hat er denn erwischt?«
»Nur fünf, und ich glaube nicht, dass er auch nur einen davon getötet hat.«
»Er war nicht ganz bei der Sache«, sagte eine alte Frau. »Als ich noch ein Mädchen war, da konnte man sie nicht so einfach aufhalten. Stark waren die damals!«
»Na ja, er hat sich auch einen schlechten Platz ausgesucht«, meinte das sommersprossige Mädchen. »Die 42. Straße ist voll von Bullen. Ein Amokläufer kann ja gar nicht richtig loslegen, da wird er schon umgestrahlt.«
Ein großer Polizist kam zu ihnen herüber. »O. k., Leute, jetzt macht mal, dass ihr nach Hause kommt. Der Spaß ist vorbei, weitergehen.«
Die Gruppe löste sich auf. Blaine erwischte seinen Bus und fragte sich, warum wohl über fünfzig Leute in New York jährlich Amok liefen. Reine Nervosität? Eine wahnsinnige Abart des Individualismus? Erwachsenenkriminalität?
Das war wieder eins der Dinge, die er über die Welt von 2110 herausfinden musste.
15
Die Adresse stellte sich als ein Penthouse hoch über der Park Avenue in den siebziger Straßen heraus. Ein Butler führte ihn in ein geräumiges Zimmer, in dem Stühle in einer langen Reihe aufgestellt waren. Die zwölf Männer, die auf den Stühlen saßen, waren ein lärmender, roher Haufen, vom Wetter gegerbt, schlampig gekleidet und nervös in dieser vornehmen Umgebung. Die meisten kannten einander.
»He, Otto! Wieder beim Jagdspiel dabei?«
»Ja. Kein Geld.«
»Wusste doch, dass du wiederkommen würdest. Hallo Tim!«
»Hallo Bjorn! Das ist meine letzte Jagd.«
»Na klar. Bis zum nächsten Mal.«
»Nein, ich meine es ernst. Ich kaufe mir eine Samenpressfarm im Nordatlantischen Becken. Brauche nur noch ein bisschen Anfangskapital.«
»Du wirst dein Anfangskapital versaufen.«
»Diesmal nicht.«
»Hallo Theseus! Wie geht’s deinem Wurfarm?«
»Ganz gut, Chico. Qué tal?«
»Nicht übel, mein Junge.«
»Da ist ja Sammy Jones, immer der Letzte!«
»Bin doch wohl pünktlich, oder?«
»Zehn Minuten zu spät. Wo ist denn dein Partner?«
»Sligo? Tot. Auf dieser Asturias-Jagd.«
»Harte Sache. Jenseits?«
»Unwahrscheinlich.«
Ein Mann betrat das Zimmer und rief: »Gentlemen, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit!«
Er trat in die Mitte des Raums und stellte sich mit in die Hüften gestemmten Armen vor den Jägern auf. Er war ein
schlanker, sehniger Mann von mittlerer Größe, in Reithosen gekleidet; er trug ein Hemd mit offenem Kragen. Er hatte einen kleinen, sorgfältig gepflegten Schnurrbart und strahlend blaue Augen in einem braungebrannten Gesicht. Ein paar Minuten blickte er die Jäger der Reihe nach an, während sie hüstelten und unbehaglich mit den Füßen scharrten.
Schließlich sagte er: »Guten Morgen, Gentlemen. Ich bin Charles Hull, Ihr Arbeitgeber und Opfer.« Er schenkte ihnen ein Lächeln ohne jede Wärme. »Zunächst ein paar Worte zum rechtlichen Aspekt unseres Vorgehens, meine Herren. Es hat in letzter Zeit diesbezüglich ein wenig Verwirrung gegeben. Mein Anwalt hat sich intensiv mit der Sache befasst und wird ein paar Erklärungen abgeben. Mr. Jensen!«
Ein kleiner, nervös wirkender Mann kam herein, drückte seine Brille fester auf die Nase und räusperte sich.
»Jawohl, Mr. Hull. Gentlemen, was die Legalität der Jagd angeht: In Übereinstimmung mit den Gesetzesänderungen zum Selbstmordgesetz von 2102 hat jeder Mensch, der durch eine Jenseitsversicherung abgesichert ist, das Recht, seinen eigenen Tod auf jede beliebige Weise und an jedem beliebigen Ort zu jedem beliebigen Zeitpunkt selbst zu bestimmen, vorausgesetzt, dass die Todesart
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