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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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sie als zwei quasi selbstständige Wesenheiten, die auf unbeholfene Weise miteinander kooperieren müssen. Nehmen wir unseren Freund Smith als typisches Beispiel. Er beherrscht die Grobmotorik seines Körpers ausgezeichnet, aber eine Feinkoordination ist ihm unmöglich. Seine Stimme ist nicht dazu in der Lage, verschiedene Abstufungen hervorzubringen, und seine Ohren können keine feinen Nuancen wahrnehmen. Sein Gesicht ist ausdruckslos, weil er wenig oder keine Kontrolle über die Oberflächenmuskulatur hat. Er treibt seinen Körper an wie ein Fahrer, aber er ist kein richtiger Teil von ihm.«
    »Und kann man nichts dagegen tun?«, fragte Blaine.
    »Im Augenblick noch nicht.«
    »Das tut mir sehr leid«, sagte Blaine verlegen.
    »Das hier ist kein Werben um Ihr Mitleid«, sagte Kean. »Es ist nur eine Bitte, die Grundlagen zu begreifen. Ich möchte lediglich, dass Sie und jedermann begreifen, dass der Zombieismus keine Bestrafung für Sünden ist, sondern eine Krankheit wie Mumps oder Krebs und nichts weiter.«

    Mr. Kean lehnte sich gegen die Wand des Ganges, um sich ein wenig zu erholen. »Sicher, das Äußere eines Zombies ist unschön. Er torkelt umher, seine Wunden heilen nicht, sein Körper verfällt sehr schnell. Er stottert wie ein Idiot, taumelt wie ein Betrunkener, starrt einen an wie ein Perverser. Aber ist das ein Grund, ihn zur Verkörperung aller Schuld und Schande auf Erden abzustempeln, zum Aussätzigen des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts? Es wird behauptet, dass Zombies Menschen angreifen; dabei ist der Körper des Durchschnittszombies extrem zerbrechlich und er könnte in der Regel nicht einmal dem Angriff eines Kindes widerstehen. Die Leute glauben, dass die Krankheit ansteckend sei, dabei ist das ganz eindeutig nicht der Fall. Sie sagen, dass Zombies sexuell pervers sein sollen, aber in Wahrheit hat ein Zombie überhaupt keine sexuellen Empfindungen. Doch die Menschen weigern sich, etwas dazuzulernen, und Zombies sind Ausgestoßene, die nur für die Schlinge des Henkers oder für den Scheiterhaufen der Lynchenden taugen.«
    »Was ist mit den Behörden?«, fragte Blaine.
    Mr. Kean lächelte bitter. »Früher haben sie uns barmherzigerweise in Irrenanstalten gesperrt. Sehen Sie, sie wollten ja nicht, dass uns etwas zustieß, aber Zombies sind nun einmal in der Regel nicht verrückt und das wussten die Behörden auch. Und so bewohnen wir mit ihrem stillschweigenden Einverständnis diese verlassenen U-Bahn-Tunnel und Abwasserkanäle.«
    »Konnten Sie keinen besseren Ort finden?«, fragte Blaine.
    »Ehrlich gesagt, ist uns der Untergrund ganz lieb. Sonnenlicht ist schlecht für unsere Haut, die sich ja nicht mehr erneuern kann.«
    Sie gingen weiter. Blaine fragte: »Was kann ich nun für Sie tun?«

    »Sie können draußen erzählen, was Sie hier erfahren haben. Vielleicht darüber schreiben. Sich ausbreitende Wellen …«
    »Ich werde tun, was ich kann.«
    »Danke«, sagte Mr. Kean feierlich. »Aufklärung ist unsere einzige Hoffnung. Aufklärung und die Zukunft. Bestimmt werden die Menschen der Zukunft etwas aufgeklärter sein.«
    Die Zukunft? Plötzlich fühlte Blaine sich schwindelig. Denn das hier war doch die Zukunft, in die er aus dem idealistischen und hoffnungsvollen zwanzigsten Jahrhundert gereist war. Jetzt war die Zukunft! Aber die erwartete Aufgeklärtheit war nicht erfolgt und die Menschen waren immer noch genauso wie früher. Eine Sekunde lang drückten Blaines Jahrhunderte ihn wie eine schwere Bürde.
    Er fühlte sich orientierungslos und alt, älter als Kean, älter als die menschliche Rasse – ein Wesen in einem geliehenen Körper, das an einem Ort stand, den es nicht kannte.
    »Und jetzt«, sagte Mr. Kean, »sind wir an Ihrem Ziel angelangt.«
    Blaine blinzelte schnell mit den Augenlidern und das Leben rückte wieder in die richtige Perspektive. Der matt erleuchtete Gang war zu Ende.
    Vor ihm befand sich eine rostige Eisenleiter, die an der Tunnelwand befestigt war und hinauf ins Dunkle führte.
    »Viel Glück«, sagte Mr. Kean. Er ging fort, auf den Arm des schwarzen Wächters gestützt. Blaine sah zu, wie der alte Mann verschwand, und wandte sich dann an Smith.
    »Wo gehen wir jetzt hin?«
    »Die Leiter hoch.«
    »Und wo führt sie hin?«
    Smith hatte bereits mit Klettern begonnen. Er blieb stehen, blickte hinunter, und seine bleiernen Lippen verzogen
sich zu einem Lächeln. »Wir werden einen Freund von Ihnen besuchen, Blaine. Wir werden zu seinem Grabmal gehen, an seinen Sarg

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