Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
ihm und Madame de Guise werde nun wieder ein großer Streit aufbranden, wie deren viele mich in der Vergangenheit so sehr verdüstert hatten, weil ich mir nichts so innig wünschte, wie daß sie sich einig und bis in den Tod verbunden wären, denn ich liebte sie beide. Also drehte und wendete ich die Sache in meinem Kopf, und da ich nicht ohne Naivität glaubte, Margot würde nicht über den Frost hinaus bei uns bleiben, nahm ich mir Mariette beiseite und legte ihr mit stark gerunzelter Stirn nahe, ihre schwatzhafte Zunge mit Blei zu beschweren. Sie versprach es. Doch merkte ich, daß nicht ihre Torheit allein, sondern ebenso sehr die Bosheit einer anderen gefährlich werden konnte. Und während meiner nachmittäglichen Siesta mit Toinon, nachdem wir uns ausgetollt hatten und ich wieder zu Atem gekommen war, fragte ich sie, auf einen Ellbogen gestützt und mit ihr Aug in Auge: »Toinon, hast du die Absicht, Madame de Guise zu sagen, daß wir eine Neue im Hause haben?«
»Und was ist, wenn ich es tue?« fragte sie in sehr herausforderndem Ton.
»Solltest du petzen, wirft dich mein Vater auf der Stelle hinaus. Und ich wäre furchtbar traurig.«
»Wahrhaftig?« fragte sie sanfter. »Ihr wäret betrübt?«
»Sicher.«
Hierauf besann sie sich und fuhr fort: »Nicht, daß es mich nicht sehr juckte. Ich sag’s Euch rundheraus. Ich hasse diese überhöfliche Trine mit ihrem scheinheiligen Lärvchen, ihrem Getue und ihren Pißhaaren.«
Fast hätte ich die »Pißhaare« gerügt, aber ich zügelte mich noch rechtzeitig, aller Gefahren eingedenk, wenn ich Margots goldenes Vlies verteidigte.
»Getue?« fragte ich also nur.
»Habt Ihr nicht gesehen, was die sich darauf einbildet, daß sie Seidennäherin ist? Aber was ist das schon, ich bitte Euch? Reine Handarbeit!«
»Kannst du mehr?«
»Na, und ob! So wie es siebzig Höllenteufel gibt, gibt es siebzig Zärtlichkeiten, durch welche eine Frau einen Mann glücklich machen kann, und die kenn ich alle.«
»Woher weißt du, daß es siebzig Teufel in der Hölle gibt?«
»Das hab ich so gehört.«
Ich wollte nicht streiten und kam auf meine Rede zurück.
»Sag mir doch, warum bist du so übel auf Margot zu sprechen?«
»Das Weib ist von einer Unverschämtheit, drüber geht es schon nicht!«
»Margot? Gegen wen?«
»Ach, so mein ich das nicht! Ich mein ihre Chance, die unverschämt ist. Da kommt die mit ihrem alten Aufschieblich an unsere Mauer, ein Scheit klauen, und angelt sich einen Marquis.«
»Ah, ein Chevalier genügt dir also nicht!« sagte ich pikiert.
»Oh, mein Schatz!« sagte sie mit einem Lächeln und indem sie mit leichter Hand über meinen Nacken strich, »Ihr stellt mich hundertmal zufrieden.«
War es die Wirkung dieses Komplimentes oder eine der siebzig Zärtlichkeiten der Hölle, wer weiß, jedenfalls war ich ihr am Ende wieder gut.
»Also, du sagst Madame de Guise nichts.«
»Versprochen ist versprochen. Nun sehe sich das einer an«, sagte sie ganz stolzgeschwellt, »was für eine Angst mein Schöner hat, mich zu verlieren! Aber«, fuhr sie mit trauriger Miene fort, »früher oder später passiert es.«
»Warum?«
»Weil ich einen Mann will, den ich an der Nase herumführen kann, ein Haus, das mir gehört, und eine Magd, der ich befehle.«
»Wärest du dann glücklich?«
»Weiß ich nicht.« Dann setzte sie hinzu: »Aber ich will es trotzdem.«
***
Die Astrologen hatten nach gelehrten Berechnungen und Pfarrer Courtal auf Grund der Ziffer drei prophezeit, der strenge Frost, unter dem Paris seit dem ersten Januar litt, werde drei Monate dauern. Dem war nicht so. Am sechsundzwanzigstenJanuar setzte Tauwetter ein und währte auch die nächsten Tage, verwandelte Straßen und Gassen der Hauptstadt in einen Morast und zeugte in der Folge einen dichten, stinkenden Nebel. Doch trotz der Leiden für Nase und Brust war die Erleichterung unter den Ärmsten riesengroß, trafen doch die Frachten auf der Seine wieder ein, endete die Hungersnot und fielen die Preise.
Unsere kleine Seidennäherin ging mit der Schneeschmelze nicht, und in unserer Dienerschaft verwunderte sich keiner darüber noch tratschte er, die Zungen blieben gefroren. Dieses Schweigen machte mir deutlich, wie dumm und übereifrig es von mir gewesen war, Mariette und Toinon ins Gebet zu nehmen. Zwei-, dreimal sah ich, wie Toinon vernichtende Blicke in Margots Richtung warf. Der Schnabel wagte es aber nicht, das Geschäft der Augen zu übernehmen. Und Margot blieb hinter ihren gesenkten
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