Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
diese Dolmetsche seinen Ministern und Staatssekretären, und er vertraut ihnen nicht sehr. Der König sucht in Euch einen Dolmetsch, der, wie er sagt, ›unerschütterlich im Glauben‹ ist.«
    »Was heißt das?«
    »Das kommt aus der Weidmannssprache. Man sagt es von einem Falken, der nach dem Flug treulich auf die Faust seines Herrn zurückkehrt. Dasselbe sagt man auch von einem Hund.«
    »Wenn ich zwischen beiden wählen dürfte, wäre ich lieber der Falke.«
    »Eine gefährliche Mission, mein Sohn«, sagte mein Vater ernst.
    »Weil man mich im Fluge durchbohren könnte, um meine Botschaft abzufangen?«
    »Ihr werdet nicht fliegen. Dafür hat der König seine Geheimkuriere. Aber es ist allein schon gefährlich, einen Brief zuschreiben und zu chiffrieren, den zu kennen Don Pedro ein Vermögen zahlen würde. Geld ist bekanntlich oft die Schwester des Dolchs.«
    »Als Siorac vom Vater und Bourbone von der Mutter her werde ich mich schon tapfer wehren.«
    »Monsieur, Ihr redet leichtfertig!« sagte mein Vater kühl. »Vorfahren sind keine Bürgen für Qualitäten. Sie kommen auch nicht für die Dummheiten auf, die Ihr begehen könntet. Außerdem gibt es Tapferkeit und Tapferkeit. Und die, die Ihr brauchen werdet, hat nichts mit dem Degen zu tun. Sie ist unendlich viel schwieriger.«
    »Und worin besteht sie?« fragte ich betroffen, weil mein Vater selten in einem solchen Ton zu mir sprach.
    »Niemals als das erscheinen, was Ihr seid. Manchmal sogar den Unbesonnenen spielen, während ihr zugleich vor allen und allem auf der Hut sein müßt, auch die mindesten Details bedenken und eine Wachsamkeit walten lassen müßt, von der Ihr Euch keine Vorstellung macht.«
    Er fuhr noch eine halbe Stunde in diesem Ton fort, führte zum Beleg für seine Reden sämtliche Fallen an, die er bei seinen Missionen kennengelernt hatte. Und da ich aus alledem begriff, daß nur seine große Liebe zu mir und seine Sorge um meine Sicherheit ihn zu diesen Auslassungen bewogen, zu dem kleinen Verweis ebenso wie zu seinen Ratschlägen, lauschte ich ihm von Anfang bis Ende mit einer Aufmerksamkeit, die ihn offenbar zufriedenstellte, denn als er mich endlich entließ, schloß er mich kräftig in die Arme und küßte mich ernst auf beide Wangen.
    »Und jener wunderbare Deutschlehrer, den mir der König geben will«, sagte ich im Scheiden, »wißt Ihr, wer es ist?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte er mit einem Lächeln, das mich allerdings an seiner Ahnungslosigkeit zweifeln ließ.
    Hierauf ging ich, denn es war Zeit für meine Siesta. Doch der Reiz der neuen Existenz, in die ich eintreten sollte und die mir, obwohl der König mich Grünschnabel und »Scheißer« genannt hatte, als die erste Etappe meines Erwachsenenlebens erschien, erfüllte meine Gedanken in solchem Maße, daß ich in den Armen meiner Toinon lange Zeit tatenlos und schweigsam verharrte. Da sie mich so verkapselt sah, stellte sie mir mit der ihrem Geschlecht eigenen Neugier und GeschicklichkeitFrage um Frage. Um mein Schweigen zu brechen, versuchte sie es sogar mit ein paar Tränchen, aber vergebens. Mein Mund blieb zugenäht. Da sie meine Seele derart verschanzt und kampfesmüde fand, setzte sie ihre Zaubermittel daran, das Tier zu wecken, und hatte bald den gewünschten Erfolg, doch ohne mir anderes zu entlocken als unartikulierte Laute. Als nun die Windstille auf unsere Stürme gefolgt war und sie mich für geschwächt hielt wie Samson nach der Haarschur, kam sie natürlich ganz sacht auf ihre Fragen zurück. Da ergriff ich den einfachsten Ausweg: ich schlief schamlos ein. Und wie ich mich erinnere, beglückwünschte ich mich dicht vor dem Entschlummern, daß ich nun erstmals die mir von meinem Vater anbefohlene Vorsicht unter Beweis gestellt hatte – worauf ich sehr stolz war.
    Vierzehn Tage verstrichen, ohne daß etwas geschah, und wieder begann ich mich zu fragen, ob der König seine Pläne hinsichtlich meiner Person nicht vergessen habe, was mich tief betrübte, denn ich war nicht der Mensch, der seine Flügel im Familiennest einfaltet.
    Eines Freitags kam Fogacer zu Besuch, und während er an unserer Tafel einen prächtigen Karpfen verschlang, erzählte er, daß Königin Margot einen Teil des zu ihrem Hôtel gehörigen Gartens den vertriebenen Augustinern abgetreten habe, damit sie dort ein Kloster errichteten, wo man ewig zum Herrn beten und ihm für seine Wohltaten danken könne.
    »Schöne Aufgabenverteilung!« sagte Fogacer, indem er seine diabolischen Brauen über

Weitere Kostenlose Bücher