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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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erste Mal, seit der König mich zum Chevalier erhoben hatte, daß er mich mit meinem Vater in den Louvre rief.
    Wir hatten jedoch eine feine Nase und trafen genau zur rechten Zeit ein, denn kaum hatten wir mit Monsieur de Praslin an der Einlaßpforte des Louvre Rücksprache genommen, als ein kleiner Page kam, sich nach uns erkundigte und uns in den Garten führte, wo der König soeben seinen Ministerrat verabschiedete; er hatte ihn im Wandeln auf den Alleen abgehalten, um den letzten warmen Sonnenschein zu Novemberanfang noch zu nützen. Als er uns erblickte, blieb uns kaum Zeit, ihm die Hand zu küssen, so rasch faßte er jeden von uns beim Arm und zog uns mit lächelndem Gesicht beiseite.
    »Mein kleiner Cousin«, sagte er, indem er mir sein fauneskes und maliziöses Anlitz zuwandte, »wäre es unter deiner Würde, mir als Dolmetsch zu dienen?«
    »Sire«, sagte ich, »es gibt keinen kleinen Dienst, den ich Eurer Majestät erweisen dürfte, ohne ihn für eine große Ehre zu erachten.«
    »Das ist aber kein kleiner Dienst. Weit entfernt. Welche Sprachen kannst du?«
    »Zum ersten Latein.«
    »Dem Papst schreibe ich kaum.«
    »Italienisch.«
    »Dem Großherzog der Toskana schreibe ich ebensowenig.«
    »Spanisch.«
    »Auch an Philipp von Spanien schreibe ich nicht. Ich glaube, das macht Villeroi. Sofern es nicht Don Pedro tut.«
    Hier erlaubte ich mir zu lächeln, denn Henri tat, als verwechsle er seinen eigenen Minister mit dem spanischen Gesandten. Henri lächelte auch.
    »Marquis«, sagte er zu meinem Vater, »der Grünschnabel ist gut.«
    »Ist das ein Wunder bei der Nase?« sagte mein Vater, womit er das Kompliment zurückgab.
    »Aber ein guter Hund jagt nicht immer nach Rasse!« sagte Henri mit einem Seufzer. »Denkt an Condé! Ein Bourbone und hat nicht mal Nase genug, eine Hündin aufzuspüren und zu decken.«
    »Sire, was kommt es schon auf den Prinzen von Condé an!« sagte mein Vater. »Gott sei Dank habt Ihr den Dauphin, und er ist ein schönes Kind.«
    »Der Himmel möge ihn mir erhalten!« sagte Henri, und ein Freudenschein glitt über sein faltiges Gesicht. »Was nicht ausschließt«, fuhr er heiter fort, »daß dieser Scheißer allein mehr taugt als alle zusammen, die meine teure Cousine Guise vom schönen Herzog hat ... Ich wette hundert Ecus, daß er besser als jeder einzelne von denen die Hölzer eines Hirsches unterscheiden kann! 1 Welche Sprachen kannst du noch, Chevalier?«
    »Englisch.«
    »Ja, das können wir gebrauchen! An Jacob von England und Moritz von Holland, der auch Englisch versteht, schreibe ich oft. Was würde aus ihnen, wenn ich sie vor den Ausflüchten des gehörnten Spaniers und seinem seltenen Talent, alle hinters Licht zu führen, nicht warnen würde. Und Deutsch, kannst du Deutsch?«
    »Nein, Sire.«
    »Donnerschlag, Chevalier! Du mußt Deutsch lernen! Die lutherischen Fürsten Deutschlands gehören zu meiner stärksten Meute! Unerschütterlich im Glauben und große Schreihälse! Wieviel Zeit brauchst du, um Deutsch zu lernen?«
    »Einige Monate, Sire, wenn ich einen guten Lehrer habe.«
    »Gut?« sagte Henri mit einem Lächeln, das seine Krähenfüße sternte. »Er wird besser sein als gut! Dafür bürge ich. Du wirst an seinen Lippen hängen, und er wird dir mehr guteMilch geben als die fetteste Amme ihrem Säugling. Alsdann, abgemacht, Chevalier! In drei Monaten kannst du Deutsch und wirst mir auch die Briefe chiffrieren, die ich dir zu schreiben gebe.«
    »Aber, Sire, Chiffrieren kann ich nicht.«
    »Dann lernst du es. Marquis, noch ein Wort!«
    Und indem er meinen Vater zwei Schritt von mir wegzog, raunte er ihm etwas ins Ohr. Hierauf machte er uns beiden ein kleines Zeichen mit der Hand, kehrte uns den Rücken und ging.
    Ich wartete, bis wir wieder in der Rue Champ Fleuri waren und ich mit meinem Vater in unserem Saal von Angesicht zu Angesicht beisammensaß, um ihn all das zu fragen, was mir auf der Zunge lag.
    »Vater, weshalb könnte es unter meiner Würde sein, Dolmetsch des Königs zu werden?«
    »Ihr kennt doch die törichten Vorurteile des katholischen Adels, für den nur ein Dienst als ehrenvoll gilt, nämlich der mit dem Schwert. Diese Kaste hat ja kaum Achtung vor Sully, weil er dem König mit seiner Feder und seiner Arithmetik dient. Und ein so guter Dichter Malherbe auch sei, niemand würde ihn empfangen, wäre er nicht ein Edelmann.«
    »Ich verstehe. Aber hat der König nicht schon alle Dolmetsche, die er braucht?«
    »Gewiß hat er die. Nur unterstehen

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