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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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sagte: »Kommen Sie rein. Ich mach uns 'nen Kaffee.«
    Die Morgen sind im Fuckers' Place zum Verschlafen gedacht, deshalb hatten wir die geräumige Küche erst mal für uns.
    »Donnerwetter«, entfuhr es Menden beim Reinkommen.
    »Das muss das komplette Programm sein.« Bewundernd betrachtete er einen wahren Berg von Plastiktöpfen. »Sind Sie ein Fan dieser Marke?«
    »Nein«, antwortete ich und, als er mich etwas verständnislos ansah, fügte ich »Willy ...« hinzu, biss mir dann aber auf die Zunge und brach ab. »Es ist eine lange Geschichte.«
    (Wirklich wahr. Die mit drei Tagen und zwei Nächten höchstwahrscheinlich längste Tupperware-Party aller Zeiten.)
    Danach stand er eine Weile herum, bis ich ihn nötigte, sich an den Tisch zu hocken, weil er mich nervös machte. Ich setzte Wasser auf, spülte zwei Tassen, löffelte Kaffeepulver in die - wie nennt man die Dinger eigentlich? - Pressfilterkanne, warf ein schimmelig gewordenes Toastbrot in den Müll, blickte lange und nachdenklich auf die 14 Bierdosen und das einsame Senfglas im Kühlschrank, suchte in erster Linie nach den richtigen Worten.
    Menden saß da mit den Armen auf dem Tisch, schwieg und sortierte mit dem kleinen Finger versonnen die angesengten Pappröllchen im Aschenbecher.
    Schließlich gab ich mir einen Ruck und schilderte die ganze Angelegenheit mehr oder weniger exakt so, wie sie sich zugetragen hatte, bis hin zu dem Verschlag und Doris' Gesundheitszustand. Ich sagte: »Darum, und auch auf den Wunsch ihrer Familie hin, habe ich sie ... mitgenommen.«
    »Gut«, fand Menden, stand auf und verabschiedete sich. Ohne abzuwarten, bis der Kaffee fertig war. Und dafür hatte ich ihm extra eine Tasse gespült. An der Türe stieß er beinahe mit Scuzzi zusammen, der sich reflexartig den kleinen Stick aus dem Mundwinkel riss und hinter seinem Rücken zu verstecken versuchte, doch der Mann im Trenchcoat nickte ihm nur flüchtig zu und verließ auf direktem Weg das Haus.
    »Wa-wa-wa?«, begann Scuzzi, immer noch perplex, selbst nachdem die Haustür längst ins Schloss gefallen war, »wawawas macht denn der Bulle hier bei uns in der Küche?«
    Ich erklärte es ihm.
    »Und, hat er dir geglaubt?«
    Ich dachte eine ganze Weile nach und antwortete dann: »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
    Wir holten die Jungs aus den Betten und trommelten sie in der Küche zusammen. Ich las den Brief vor. Der Unglaube, der die Küche füllte, war so dick, dass man ihn in Blöcke hätte schneiden können. Entführung und Erpressung sind, wie Erdrutsche und -beben, Dinge, die anderen Leuten zustoßen. Leuten im Fernsehen.
    Die beiden Mädels, die durch die allgemeine Unruhe aufgeweckt worden waren, sahen betroffen drein, versuchten, sich nützlich zu machen, und fühlten sich doch fehl am Platz, überflüssig. Man merkte es ihnen an. Sie waren zum Feiern hergekommen, und die Party war mit einem Schlag vorbei.
    »Das ist doch Blödsinn«, schnaubte der vierschrötige D.O. »Da will uns doch einer verkackeiern.«
    Seine richtigen Initialen sind eigentlich J.F., für Jürgen Fontane. Bei einem solchen Nachnamen ist es nur eine Frage der Zeit, bis man >Theodor< genannt wird, und wenn man dann noch stark zu Achselnässe neigt, wird das bald zu >Deodor< gebogen, kurz >Deo<. Ein paar gebrochene Nasenbeine, ausgeschlagene Schneidezähne und im Hals steckengebliebene Lacher später hatte man sich -seltsamerweise - auf die jetzige Sprech- und Schreibweise geeinigt.
    »Immerhin: Willy ist stinkreich«, sagte Charly.
    »Theoretisch«, wandte ich ein. »Bis er an die wirklich dicken Beträge herankommt, sind es noch ein paar Jährchen.«
    »Also. Willy hat kein Geld. Wir haben kein Geld. Was soll das dann?«, fragte Scuzzi. »Wo soll das hinführen?«
    »Wir wissen bis jetzt nur, dass Willy seit ein paar Tagen nicht zu Hause war«, stellte Charly fest. »Kristof und ich haben gestern Abend ein bisschen herumgefragt. Vielleicht hat das jemand mitgekriegt und versucht jetzt, eine schnelle Mark zu machen. Steht in dem Brief irgendwas darüber, wie wir Kontakt aufnehmen könnten?«
    »Nur das, was ich euch vorgelesen habe«, antwortete ich.
    »Kein Übergabemodus, kein eigentlicher Beweis, dass sie Willy wirklich haben. Kein Lebenszeichen.«
    »Ich wette meine linke Arschbacke, dass die Eierköppe dahinterstecken«, sagte Pit Bull und schlug mit der Faust auf den Tisch. Alle sahen ihn an. Mit vollem Namen hieß er Peter Buhlschmidt, doch war er einer von diesen Weißblonden, die

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