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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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zu ihm auf, als wüsste er nicht, wie ihm geschah. Ich bereitete mich innerlich darauf vor, Willy jeden Augenblick aus dem Raum zu zerren, bevor er uns beide vor Gericht brachte.
    »Eine Fassade aus Glas, Stahl und Beton. Eine korrekte, harte, überlegene Ausstrahlung. Ein Image wie ein strenger ... was? Genau! Wie ein strenger Vater.« Willy nickte gewichtig.
    Ich war froh, dass er von den Brüsten weg war, fragte mich andererseits aber, wohin die Reise jetzt gehen sollte.
    »Nehmen Sie dagegen das Erscheinungsbild Ihres Konzerns.« Willy richtete sich wieder auf, ging sinnend umher.
    »Die freundlichen Farben. Der warme Ziegelton des Mauerwerks, die runden Ecken überall.« Er formte runde Ecken mit den Händen. »Ein >M< wie zwei Brüste.«
    Here we go again, dachte ich.
    »Mutterbrüste. Pralle, warme Mutterbrüste.« Sie nahmen wieder Gestalt an, in der Luft.
    Ich verlagerte mein Gewicht unauffällig. Wenn er nicht gleich damit aufhörte, würde ich ihn mir schnappen müssen.
    »Wo eine Bank väterliche Autorität verströmt und ihre Kunden kühl auf Distanz hält, kommt McDagobert's daher wie eine Mutter. >Kommt zu mir<, lautet die Botschaft, >kommt an meine dicken, tröstlichen, für immer prallen Brüste<.«
    Noch einmal dieses Wort, dachte ich, und ich schmiere ihn um.
    »Unser Täter«, wechselte Willy, als könne er meine Gedanken lesen, vom schwärmerischen zurück in eher klinischen Tonfall und zwang auch seine Hände hinter seinen Rücken, wo sie einander gegenseitig von weiteren Pantomimen abhalten konnten, »leidet mit höchster Wahrscheinlichkeit unter einer zwanghaften Mutterbindung. Dafür findet er kein anderes Ventil, als sich gewaltsam gegen mütterliche Symbole zu richten. Nur in ihrer Zerstörung findet er momentane . Erleichterung. Da er diese . Erleichterung als lustvoll erfährt, wird er keinesfalls damit aufhören. Und da er nun einmal auf Ihr geschwungenes >M< fixiert zu sein scheint, kann ich Ihnen nur dringend raten, keinesfalls in den Bemühungen zu seiner Ergreifung nachzulassen.«
    Und er schloss mit dem Klassiker: »Und vielen Dank für dieses Gespräch. Ich hoffe, es hat Ihnen etwas gebracht. Mir hat es auf alle Fälle etwas gebracht.«
    Ich brauchte damals bis nach Hause, bevor ich meine Sprache wiederfand. »Wo . woher hattest du diesen ganzen . Sermon?«, fragte ich ihn.
    »Kristof«, hatte er geseufzt, »du glaubst ja gar nicht, zu wie viel Psychiatern mich meine Alten immer geschleppt haben.«
    Die anderthalbtausend Eier sind noch am gleichen Wochenende in die Düsseldorfer Altstadt gewandert. Wir hatten sie so nachhaltig umgesetzt, dass wir schließlich die vier Taxifahrer, die es brauchte, uns heim zu karrren, mit einem dicken Beutel von Scuzzis Captagon bezahlen mussten.
    Deshalb . Ein zweites Gutachten käme, so gesehen, nicht ungelegen. Gleichzeitig war Dr. Heckhoff im Moment nicht in seiner Praxis, sondern irgendwo unterwegs . Nachdenklich kaute ich für einen Moment auf meinem Gummi herum, bevor ich mich wieder an meinen Kunden wandte. »Noch nicht«, sagte ich. »Erst in der heißen Phase.«
    Und Willy blieb auch bis zum Abend verschwunden. Allmählich fing ich an, mich ernsthaft zu fragen, wo er wohl stecken könne. Dann fiel mir die schwelende Geschichte mit den Eierköppen wieder ein, und plötzlich fand ich mich regelrecht besorgt. Wir hatten schon länger nichts mehr von ihnen gehört, nicht seit dem Abend der versuchten Erstürmung, doch Gerüchte über geplante Racheakte wollten nicht verstummen.
    Charly und ich nahmen die Jungs ins Gebet, jeden einzelnen von ihnen, doch keiner konnte sich erinnern, wann genau Willy das Haus verlassen hatte, noch hatte irgendjemand eine Ahnung, wohin er gegangen sein könnte. Also holte ich meine alte 650er Yamaha aus der Garage, Charly schwang sich auf den Sozius, und wir bollerten in die Stadt, mal nachfragen.
    Willy war, was Anmache anging, durchaus nicht auf ein Schema festgelegt. Es gibt ja Leute, die versuchen es immer auf die gleiche Masche, immer in der gleichen Kneipe, bei dem immer gleichen Typus. Nicht so unser Willy. Er ließ sich treiben, landete irgendwo und improvisierte aus dem Stegreif. Auf die Frage: Wo um alles in der Welt hattest du die/den/das denn wieder her? bekam man von Willy nicht zweimal die gleiche Antwort.
    Die versoffene Nymphomanin hatte er seinerzeit von einem Schützenfest mitgebracht, einen pickligen, weißblau gestreiften 16-Jährigen von einem Bundesligaspiel, die beiden ungeheuer fetten, bis

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