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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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eigentlich rothaarig hätten werden sollen, mit unbräunbarer Haut und, dank seiner Angewohnheit, schon morgens im Bett einen Bong wegzuziehen, meist ziemlich blutunterlaufenen Augen. Dazu kam seine gedrungene Ringergestalt. Und sein Temperament.
    »Geht mir schon lange auf den Sack, dieses braune Gesocks«, grollte er. »Lasst uns jetzt sofort da rausfahren und alles kurz und klein kloppen.«
    Mit >da raus< meinte er das Hauptquartier der Ironheads, ein als Hundeschule getarntes, fast schon paramilitärisches Ausbildungscamp. Mal eben da raus und alles kurz und klein schlagen war ein völlig idiotischer Vorschlag.
    »Entweder sie haben Willy, dann holen wir ihn uns zurück, oder sie haben ihn nicht. Dann haben sie eben Pech gehabt. Auch nicht tragisch.«
    »Nur auf Verdacht da raus und einen Krieg vom Zaun brechen ist Schwachsinn«, sagte Charly und damit war das Thema beendet.
    »Und sonst?«, fragte Poppel und drehte seinen früh ergrauten Kopf in meine Richtung. »Du bist hier doch der große Detektiv, oder? Keine weiteren Schlussfolgerungen? Handschrift? Papier? Briefmarke? Stempel?«
    Ich ignorierte den höhnischen Tonfall und hielt den Briefbogen hoch. »Schreibmaschine, würde ich sagen, ganz normales Papier.« Ich griff nach dem Umschlag. »Ebenfalls mit Schreibmaschine an mich adressiert, holländische Marke«, rings um den Tisch schossen Brauen in die Höhe, »in Arnheim abgestempelt. Gestern«, fügte ich nach einem kurzen Check des Wandkalenders hinzu. »Das heißt, die Idee mit dem Trittbrettfahrer können wir vergessen. Wer immer das hier abgeschickt hat, wusste von Willys«, ich wedelte mit der Hand, suchte das passende Wort, »Verschwinden, bevor Charly und ich angefangen haben herumzufragen.«
    »Holland«, sagte Charly.
    »Und gleich sagst du wieder, nur auf Verdacht da raus und einen Krieg vom Zaun brechen wär Scheiße«, knurrte D.O.
    »Ich war gleich dafür, sie richtig fertig zu machen, die blöden Reisfresser. Aber ihr hattet ja wieder humanitäre Bedenken.« Poppel schnaubte. Es war seine typische Haltung. Egal, was wir anstellten, wir gingen ihm nie hart genug vor. Jeder hat seine Gründe, Biker zu werden, und bei Poppel mit dem lustigen Namen war es offensichtlich Hass. Auf alles und jeden. Manchmal fragte ich mich, ob er in einem anderen Club nicht besser aufgehoben wäre.
    Wie immer in solchen Situationen schaltete Charly auf Durchzug. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ließ er uns, mit einem gewissen diktatorischen Großmut. Zumindest, bis er eine Entscheidung gefällt hatte. Wer danach nicht die Schnauze halten konnte, lernte das sehr schnell.
    »Also los, wir stochen alle Mann nach A'dam und setzen die Daumenschrauben an.« Pit Bull nahm noch einen Zug, setzte den Bong mit einem Knall auf den Küchentisch und ließ Rauch aus allen seinen Schädelöffnungen wabern.
    Hasch macht friedlich, haben wir als Teenies immer gesagt. In Wahrheit macht es träge, mucker, verfressen und blöd. Bis sich, bei Leuten, die sich wirklich hineinknien, die Wirkung irgendwann umzukehren beginnt. Pit Bull brauchte morgens eine Dosis, die einen normalen Menschen kalt auf die Laken geschickt hätte, um überhaupt die Klüsen aufzukriegen. Auf ihn wirkte das Zeugs in letzter Zeit mehr und mehr wie Speed.
    »Erst kloppen wir alles zu Klump, und dann fragen wir höflich, wo sie unsern Willy haben.«
    Das einzige, was sich nicht umzukehren scheint, ist der blödmachende Faktor.
    »Sag, hältst du es für möglich, dass deine Chinesen auf diese Methode versuchen, eine Art von Ablöse für ihre Nutte einzutreiben?«, wandte sich Schisser an mich.
    Ich dachte an die beiden aggressiven Asiaten, an ihre vier aus dem Nichts aufgetauchten Landsleute in ihren scharfen Bügelfalten und an dieses Klima äußersten Respekts, das das ganze, nun wirklich raue Viertel bei ihrem Auftauchen zu packen schien.
    Jeden Tag wurde in der Ruhr-City irgendwo ein chinesisches Restaurant eröffnet, in den unmöglichsten Vororten, Läden, die manchmal keine zehn zahlenden Gäste pro Abend sahen, aber damit erstaunliche wöchentliche Umsatzzahlen erwirtschafteten. Trotzdem .
    Ich schüttelte den Kopf. »Sie hatten nur meine Autonummer, plus eventuell, von Doris, meinen Vornamen, aber keine Adresse. Und außerdem hätten sie mich in dem Fall ja wohl kaum bei den Bullen angezeigt.« Und ich erzählte kurz von Mendens Besuch. Die folgende Empörung war so stark, dass nicht viel gefehlt hätte, und sie wären alle zusammen aus der Türe

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