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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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gehen?«
    »Dessen bin ich mir sicher.«
    Er räusperte sich und ließ sich viel Zeit für die Antwort. Beattie verließ schon der Mut.
    »Los, sagen Sie es mir.«
    »Wenn ich … es richtig verstehe.« Er räusperte sich erneut. »Henry war mit Molly verheiratet, als Sie mit Lucy schwanger wurden?«
    »Ja.«
    Er malte einen Strich auf seinen Block.
    »Und Sie sind mit Henry in ein anderes Land geflohen, um seiner Frau zu entkommen?«
    »Ja.«
    Der nächste Strich. Mit jeder Frage wurden es mehr. Sie hatte Henrys Tochter ohne sein Wissen mitgenommen. Sie hatte bei Raphaels Trink- und Spielgelagen bedient. Sie hatte ihren Körper beim Pokern eingesetzt, um die Farm zu gewinnen.
    »Ja, ja, ja«, sagte Beattie gereizt. »Aber das weiß kaum jemand.«
    »Es wird herauskommen. Wenn Henry einen Anwalt darauf ansetzt, wird er es herausfinden. Er wird Margaret Day fragen, mit Terry drüben bei Farquhar sprechen und Alice auftreiben, die ihnen nur zu gern die Einzelheiten auftischen wird.«
    »Aber Henry war genauso schlimm. Ich musste ihn verlassen, weil er getrunken und gespielt und uns hat hungern lassen.«
    »Sehen Sie nicht, wie viele Striche ich auf dieses Blatt gemacht habe?« Er griff wieder zu seinem Füller und zog einen Strich, der länger und dicker war als die anderen. »Beattie, Sie wissen wohl nicht, was man in der Stadt über Sie redet«, sagte er sanft.
    »Sie sollten es mir besser sagen.«
    Er konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Man erzählt sich, Sie und Charlie seien ein Liebespaar.«
    Ihr ganzer Körper wurde warm. Aus Verlegenheit wurde Lust. »Wer sagt das?«
    »Ein Scherer hat wohl erwähnt, dass Charlie im Haus schläft.«
    »Terry hat auch im Haus geschlafen, als Raphael noch hier wohnte.«
    »Raphael war keine alleinstehende Frau von fragwürdigem Ruf.«
    Jetzt schnürte es ihr die Kehle zu.
    »Die Aussicht, Lucy unter diesen Umständen zurückzubekommen … Sie sollten Charlie entlassen.«
    »Ich werde ihn nicht entlassen«, sagte sie zähneknirschend. »Wenn ich Charlie aufgebe, wird die Farm nichts mehr wert sein, und ich kann sie nicht an meine Tochter vererben. Wir sind kein Liebespaar. Er ist mein Angestellter.«
    »Das bezweifle ich nicht.«
    Plötzlich fiel ihr etwas ein, und die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. »Sie dürfen mit niemandem darüber reden. Wenn Charlie auf die Idee kommt, er falle mir in irgendeiner Weise zur Last, ist er sofort verschwunden.«
    Leo spreizte die Finger. »Die Besprechung ist absolut vertraulich.«
    Beattie schwieg. Gedanken und Gefühle rasten durch ihren Körper.
    »Sie sollten sich nur dessen bewusst sein, dass es vor Gericht schwer werden wird. Sie sollten Henry und Molly lieber freundlich darum bitten, dass Sie mehr Zeit mit Ihrer Tochter verbringen können. Kaufen Sie sich ein Auto, dann können Sie am Wochenende nach Hobart fahren. Regeln Sie es gütlich.«
    Sie hatte schon mit dem Gedanken gespielt, einen Wagen zu kaufen, stattdessen aber weitere Schafe erworben. Es fiel ihr sehr schwer, Lucys Gegenwart und Zukunft gegeneinander abzuwägen.
    Dann wurde sie ärgerlich. Weshalb sollte sie jemanden nett darum bitten – vor allem eine Frau, die nicht einmal mit Lucy verwandt war –, ob sie mehr Zeit mit ihrer eigenen Tochter verbringen durfte? Das war einfach ungerecht.
    »Ich will sie zurück, Leo.« Ihr versagte die Stimme.
    »Dann befolgen Sie meinen Rat. Warten Sie sechs Monate, bis sich alles gefestigt hat, und hoffen Sie, dass die Gerüchte verschwinden.«
    »Für ein Kind sind sechs Monate eine lange Zeit.«
    »Sie wird auch in sechs Monaten oder einem Jahr noch ein Kind sein. Bedenken Sie: noch eine gute Saison, und Sie sind reich. Wer reich ist, hat mehr Macht.«
    Sechs Monate oder ein Jahr.
Ihr Herz wollte nicht auf Leos Ratschlag hören, doch ihr Kopf hatte schon zugestimmt. Noch ein Jahr. Noch eine Schafschur. Dann wäre sie in einer besseren Verhandlungsposition.
    »Gehen Sie behutsam vor.« Er steckte sein Notizbuch wieder ein. »Und suchen Sie sich um Himmels willen ein paar Freunde in der Stadt.«
     
    Als die neuen Schafe kamen, wurde ihnen klar, dass Beattie Charlie nicht länger helfen konnte. Er brauchte einen gut ausgebildeten Mann, der ihn unterstützte. Also heuerte sie einen Viehtreiber namens Peter an, der dazukam, wenn besonders viel zu tun war, und verbrachte mehr Zeit über den Büchern und mit ihrer neuen Nähmaschine. Sie musste sich erst daran gewöhnen, nicht mehr so oft mit Charlie zusammen zu sein, doch am

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