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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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abgebrannten Weiden nichts zu fressen.
    »Oh, bitte, bitte, Gott«, sagte sie und kniff die Augen zu. Sie trieb Abby voran, pfiff die Hunde zu sich und ritt in der feuerhellen Nacht über den unebenen Boden, öffnete Tore, die Augen in den Wind gerichtet. Ihr Morgenmantel verfing sich im Stacheldraht und zerriss. Große, dünne Aschefetzen flatterten um sie herum. Erst ein oder zwei, dann Dutzende. Es regnete Asche. Hinter ihr raste eine Kängurufamilie donnernd quer über die Farm, immer nach Süden, weg vom Feuer. Die Tiere sprangen über die Zäune, als wären diese gar nicht vorhanden.
    Abby hatte genug. Sie zuckte mit dem gesenkten Kopf, die Nüstern weit geöffnet, und schnaubte vor Angst. Sie scheute vor jedem Schatten und wich einem peitschenden Ast aus. Als ungeübte Reiterin hatte Beattie große Mühe, sich im Sattel zu halten.
    »Hey, hey, Mädchen«, sagte sie, spürte aber, wie sie wegrutschte. Sie sprang schnell ab, worauf Abby den Kopf hochriss, so dass ihr die Zügel entglitten. In der nächsten Sekunde galoppierte sie davon.
    Beattie drehte sich um. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Die Flammen rasten brüllend über die Hügelflanke. Sie wusste nicht, was sie tun sollte.
    Charlie. Er war allein im Haus.
    »Los!«, befahl sie den Hunden und deutete in die Richtung, die Abby genommen hatte. »Lauft los!«
    Die Tiere schauten sie unsicher an.
    »Los jetzt, lauft weg!« Sie rannte zurück zu Charlie. Es war ihr egal, wenn jedes verdammte Schaf verbrannte, ihn würde sie nicht im Stich lassen.
    Die Asche, die herabregnete, glühte noch und hauchte auf dem Boden zischend ihr Leben aus. Sie rannte schneller als je zuvor, bis ihre Oberschenkel vor Schmerz brannten und ihr Herz gegen die Rippen hämmerte. In der Ferne sah sie die brennenden Stallungen. Funken mussten unters Dach gedrungen sein. Vor dem roten Himmel zeichnete sich Charlies Silhouette auf dem Dach ab. Sie holte alles aus sich heraus.
    Plötzlich legte sich der Wind, und es wurde unheimlich still.
    »Charlie!«, schrie sie. »Der Wind hat sich gelegt.«
    Er drehte sich um und sah sie auf sich zulaufen. »Er dreht sich. Pass auf!«
    Wenige Augenblicke später erzitterten die Bäume wieder. Dünne Zweige wurden umhergepeitscht und rissen ab. Ein frischer Ascheregen ging auf sie nieder.
    Sie war jetzt an der Waschküche und konnte sehen, dass Charlie den Schlauch aufs Dach gehievt hatte, um die Funken zu löschen.
    »Er dreht nach Osten«, rief Beattie erleichtert, obwohl sie vom Rauch würgen musste. »Er streift uns nur.«
    Charlie fluchte.
    »Was ist los?«
    »Die Pumpe geht nicht mehr.«
    »Ich hole Wasser.«
    »Vergiss die Eimer. Sieh nach der Pumpe!«
    Beattie schaute sie ratlos an. Sie hatte keine Ahnung, was sie damit machen sollte. Funken tanzten um sie herum.
    »Sieh nach, wo der Schlauch befestigt ist«, rief er.
    Sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Der Schlauch war verdreht, so dass nichts hindurchfließen konnte. Mit zitternden Händen nahm sie ihn vom Haken, worauf das Wasser sie von oben bis unten nass spritzte. Der Schlauch hatte sich vollkommen gelöst.
    »Beeil dich, Beattie, Herrgott noch mal!«
    Sie fingerte am Schlauch herum, befestigte ihn wieder an der Pumpe und drückte die Befestigungsklammer, so fest sie konnte.
    Von oben hörte man Wasser rauschen. »Es läuft! Es läuft!«
    Als sie seine Silhouette dort oben vor den Flammen sah, zog sich ihr Herz zusammen. Wenn er nun ausrutschte und stürzte? Oder die Flammen ihn erfassten? Ohne Charlie wäre ihr ganzes Haus nichts wert. Mit plötzlicher Klarheit begriff sie, dass sie ihn liebte. Dass alle Sorgen, was andere Leute denken könnten, lächerlich und klein waren. Warum sollten sie sich von den Meinungen anderer ihr Leben diktieren lassen?
    »Sei vorsichtig, Charlie«, rief sie. »Sei bitte, bitte vorsichtig.«
    Er antwortete nicht. Das Feuer kam nicht näher, und sie erlaubte sich den ersten Funken Hoffnung. Sie zog den Kragen ihres Morgenmantels enger um den Hals. Der Ascheregen ließ allmählich nach. Der Wind trieb das Feuer eindeutig in eine andere Richtung. Doch wenn er nun aufs Neue drehte?
    Augenblicke vergingen. Der Wind legte sich. Die Asche fiel zu Boden und wurde nicht mehr aufgewirbelt.
    »Ich glaube, du kannst das Wasser jetzt abdrehen, Beattie. Aber ich bleibe noch oben.«
    »Dann komme ich auch rauf.«
    »Das wirst du nicht.«
    Doch sie hörte nicht auf ihn. Sie drehte das Wasser ab und rannte ins Haus. Von Lucys Zimmer aus führte eine Leiter

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