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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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warteten. Sie blätterte in einem Buch und schaute sich die Bilder an. Dann klopfte es an die Tür, und Molly rief: »Lucy?«
    Lucy legte das Buch weg. Sie wollte Molly nicht hereinlassen. Molly benahm sich seltsam. Als hätte sie vor etwas Angst. Als hätte sie Angst vor Lucy.
    Aber Molly kam trotzdem herein. Lucy drängte sich in eine Ecke des Bettes und wickelte Häschens Ohren um den Finger.
    Molly lächelte sie an, und einen Augenblick lang schien alles normal. Aber es war nicht normal. Molly und Daddy hatten in letzter Zeit oft mit leiser, angespannter Stimme gesprochen. Wann immer Lucy ins Zimmer kam, verstummten sie plötzlich. Etwas ging vor, und sie wusste, dass es mit ihr zu tun hatte.
    »Kann ich mit dir reden?« Molly setzte sich aufs Bett und strich die Decke glatt. »Es ist wichtig.«
    Lucy nickte, obwohl sie eigentlich nein sagen wollte. »Wo ist Daddy?«
    »Im Wohnzimmer. Er sagt, ich soll mit dir reden, weil wir beide Mädchen sind.« Sie lächelte wieder, und Lucy dachte, dass sie gar nicht wie ein Mädchen aussah.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Was ist denn?«
    »Es geht um Beattie, deine Mutter.«
    Lucy wartete ab, konnte kaum atmen. Sie wollte nicht hören, dass Mummy krank oder tot sei.
    »Sie hat etwas Schlimmes getan. Sie hat einen ganz schlimmen Brief geschrieben, und jetzt ist Daddy böse.«
    »Hat sie ihn an Daddy geschrieben?«
    »Nein, an Daddys Anwalt, aber darum geht es nicht. Sie hat darin Dinge geschrieben, die nicht wahr sind. Wie nennen wir einen Menschen, der Dinge sagt, die nicht wahr sind?«
    »Einen Lügner«, sagte Lucy leise.
    »Das stimmt. Deine Mutter … Sie hat Dinge getan, über die viele Leute unglücklich sind. Dinge, die Gott nicht gefallen würden.«
    Was Gott anging, war sich Lucy nicht so sicher. Sie hatte immer noch Angst vor ihm, aber nur zu Hause in Hobart. Auf der Farm machte sie sich nicht so große Gedanken darüber, was er von ihr denken könnte. »Was für Dinge?«
    »Das verstehen nur Erwachsene.«
    Lucy hörte nicht zum ersten Mal Anschuldigungen gegen ihre Mutter und stellte sie daher auch nicht in Frage.
    »Aber sie steht diesem schwarzen Mann viel zu nah.«
    »Charlie? Der ist nett.«
    Mollys Mundwinkel wanderten nach unten. »Er
scheint
nur nett zu sein. In Wahrheit ist er ein Dieb. In Lewinford wissen alle, dass er etwas von einem reichen weißen Mann gestohlen hat.« Sie ergriff Lucys Hand. »Liebling, du musst mir sagen, ob du auf der Farm etwas beobachtet hast. Etwas … Schlimmes. Wenn ja, musst du es mir und Daddy sagen. Das wird unserem Anwalt helfen.«
    »Nein.« Sie schüttelte entschieden den Kopf.
    »Sag mir, was sie macht. Mit wem sie spricht.«
    Lucy schüttelte weiter den Kopf.
    »Wo schläft sie nachts?«
    »In ihrem Zimmer. Neben meinem.«
    »Und wann steht sie morgens auf?«
    Lucy fürchtete sich vor Mollys strengem Blick. »Meine Mummy tut nichts Böses. Sie steht auf und frühstückt mit mir und Charlie und …«
    »Charlie? Er ist beim Frühstück dabei?«
    Lucy wurde ganz still. Ihr Herz klopfte bis zum Hals.
    Molly machte große Augen. »Lucy? Schläft Charlie bei euch im Haus?«
    Lucy nickte. Was sollte so schlimm daran sein?
    Molly wurde rot und wandte den Blick ab. »Es tut mir leid, dir das zu sagen, aber deine Mutter hat gesündigt.«
    »Sie ist keine Sünderin.«
    »Geht sie in die Kirche?«
    Das konnte Lucy nicht beantworten.
    »Henry!«, rief Molly. »Komm her, Henry.«
    Lucy saß mit klopfendem Herzen auf ihrem Bett und wünschte sich, sie hätte nicht mit Molly geredet. Hätte sie doch nur den Mund gehalten. Dann war Daddy da, dem konnte sie vertrauen. Sie sprang vom Bett und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.
    »Was ist los?«, fragte er unwirsch, und Lucy hörte die Worte in seiner Brust rumoren. Sie weigerte sich, aufzublicken.
    »Lucy sagt, Charlie schlafe im Haus. Er frühstückt morgens mit ihnen. Den Rest kannst du dir vermutlich denken.«
    Pause. Daddys Hände lagen noch auf ihrem Rücken.
    »Und? Willst du, dass deine Tochter einen Schwarzen und eine Hure als Eltern hat?«
    »Molly …«
    »Genau das wird passieren, wenn wir den Prozess verlieren. Dann wird sie diesen Mann zum Vater haben, nicht dich.«
    Entsetzt blickte Lucy auf. »Ich will, dass du mein Daddy bist. Niemand sonst.«
    »Sag es ihr. Ihre Mutter ist durch und durch sündig.«
    »Molly …« Er brachte den Satz nicht zu Ende.
    »Wir müssen sie von dieser Farm fernhalten.«
    Lucy sah ihren Vater unverwandt an. Was immer er sagte, war

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