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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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Gesundheit war fast grausam. Das Herz gebrochen, der Körper kräftig wie immer.
    Irgendwo auf dieser Welt tobte ein Krieg. Irgendwo auf dieser Welt wurde ihre Tochter von einer anderen Mutter großgezogen. Doch Beattie war nicht in der Lage, sich um diese Sorgen zu kümmern. Sie verbrachte Monate in einem furchtbaren Schwebezustand, während die Wolke der Trauer über ihr lag und sich nicht heben wollte, genau wie der Winternebel, der im Tal jenseits des Hügelkamms hing. Sie sah kein Sonnenlicht mehr.
    Weihnachten kam, und Beattie fand ein bisschen Trost, als sie einen Wintermantel für Lucy nähte und nach Schottland schickte. Sie legte einen langen Brief dazu und erklärte Lucy, dass Charlie gestorben sei und sie deshalb nicht geschrieben habe. Was folgte, war ein langes Schweigen, nicht ganz unerwartet.
    Dann kam Ostern. Inzwischen hatte Beattie schon sechs oder sieben Briefe geschrieben und auf Antwort gewartet. Es kam keine.
    Nachts konnte sie vor Zorn nicht schlafen. Sie wusste, dass Molly und Henry Telefon hatten, doch sie hatten ihr die Nummer nicht gegeben. Wie konnten sie es wagen? Sie wollte doch nur die Stimme ihrer Tochter hören. Sie wäre ihr ein großer Trost gewesen. Beattie konnte es gar nicht erwarten, dass dieser alberne Krieg zu Ende ging. Sie würde sofort nach Schottland reisen und nach ihr suchen. Bis dahin schrieb sie weiter Briefe, legte ihre ganze Liebe für ihre Tochter hinein. Und schickte sie in das große Schweigen.
     
    Beattie wusste, dass ihr Geschäft in Gefahr war. Peter und Matt waren jung und der Aufgabe, die Farm zu leiten, eigentlich nicht gewachsen. Ihr letzter Wollertrag war der beste überhaupt gewesen, so dass sie sich um Geld keine Sorgen machen musste, doch sie ließ die Buchhaltung schleifen und organisierte Dinge zu spät oder gar nicht. Sie hatte die Lust an der Arbeit verloren. Früher hatte sie den Rhythmus in der Landwirtschaft geliebt, das Leben, die Erneuerung, das Wachstum. Nun aber schaute sie sich um und sah überall nur den Tod. Ein graues Leichentuch hatte sich über alles gebreitet, und sie wusste, sie musste weg von hier.
    Sie gab eine Anzeige auf, um einen Pächter für die Farm zu suchen, und packte ihre Sachen.
    Eines Morgens, als sie wie üblich zum Briefkasten pilgerte, um nach einem Brief von Lucy zu sehen, der wie immer nicht gekommen war, entdeckte sie ein Schreiben mit dem Siegel der australischen Regierung. Sie runzelte die Stirn. Hoffentlich nicht das Finanzamt oder schlechte Nachrichten aus dem Ausland. Doch der Brief hatte nichts mit Steuern zu tun. Das Kriegskabinett plante, bei der Luftwaffe fünfhundert Stellen für Telegrafistinnen zu schaffen. Dafür brauchten sie Uniformen – Wollrock und Blazer – und baten um ein Angebot.
    Beattie las den Brief zweimal, während sie noch am Briefkasten stand, und dann noch zweimal im Wohnzimmer. Sie spürte ein warmes Kribbeln im Herzen, als würden die ersten Schösslinge nach einem eisigen Winter durch die Erde brechen. Es war lächerlich. Natürlich konnte sie einen Blazer mit Rock entwerfen, aber nicht im Alleingang fünfhundert Uniformen nähen.
    Doch die Anfrage war verlockend, die konnte sie sich nicht entgehen lassen. Sie würde einfach ein Dutzend Näherinnen einplanen müssen und ein Dutzend Nähmaschinen kaufen. Sie selbst müsste sich nur um die Entwürfe und die Überwachung der Produktion kümmern.
    Den ganzen Morgen über arbeitete Beattie am Schreibtisch, zeichnete, kritzelte, zerriss die Entwürfe und begann von neuem. Es war lange her, dass sie Glück verspürt hatte, und es überkam sie wie ein Rausch. Das hier war Freude, echte Freude. Nachdem sie sechs oder sieben grobe Entwürfe fertig hatte, kümmerte sie sich um das Angebot, schätzte die Preise und hoffte, dass sie nicht zu hoch oder zu niedrig lag. Ihr Magen knurrte, sie hatte nichts gegessen. Die Schatten draußen waren lang geworden. Sie hatte tatsächlich den ganzen Tag über ihrer Idee zugebracht.
    Sie konnte sich nicht erinnern, wann die Zeit zuletzt so schnell vergangen war. Jeder Augenblick seit Charlies Tod war unerträglich lang gewesen. Nun erkannte Beattie, was sie retten würde: die Arbeit. Aber nicht hier auf der Farm, wo es zu viele Erinnerungen gab.
    Beattie musste sechs Wochen warten, bis man ihr den Zuschlag erteilte. Als er kam, hatte sie schon gepackt und war bereit zum Aufbruch. Ein Makler hatte ihr ein kleines Haus am Haymarket in Sydney besorgt, wo sie über ihrer Werkstatt wohnen würde.
    Am Morgen,

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