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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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    Stattdessen traf ich auf Brian, den künstlerischen Leiter.
    »Du lieber Himmel!«, waren seine ersten Worte. »Du hast aber zugelegt!«
    Ich war so verblüfft, dass mir die Worte fehlten. Dann sagte ich entschuldigend: »Mit dem verdammten Knie konnte ich nichts machen.« Außerdem war ich vorher viel zu dünn gewesen. Knochig. Genau wie wir alle.
    »Lass mich mal sehen.« Ich musste den Rock heben, um ihm die Operationsnarben zu zeigen, die er eifrig begutachtete.
    »Im Grunde war es perfektes Timing«, sagte er und ließ meinen Rock fallen. »Wenn du schon einen Unfall haben musstest, dann kam er genau richtig. Am Ende deiner Karriere.«
    »Ich bin erst einunddreißig.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe dich tanzen sehen. Mit etwas Glück hattest du noch zwei Jahre.«
    »Emma!«, erklang eine aufgeregte Stimme vom Ende des Gangs.
    »Adelaide!« Ich ließ Brian stehen, der etwas in sein Klemmbrett murmelte, und umarmte sie.
    »Seit wann bist du zurück?«
    »Gestern Morgen. Können wir zusammen Mittagessen? Ich habe dir so viel zu erzählen.« Ich senkte die Stimme. »Josh hat mich gebeten, zurückzukommen.«
    Adelaide machte große Augen. »Ehrlich? Und du bist gekommen?«
    »Ich habe fünf Monate lang davon geträumt.« Doch die Worte hinterließen einen schalen Nachgeschmack im Mund.
    Sie schaute auf die Uhr. »Alberto probt bis halb eins. Würde es dir jetzt passen?«
    »Meine innere Uhr ist so durcheinander, das ist völlig egal. Lass uns gehen.«
    Draußen auf der kalten Straße mischte sich der Duft gerösteter Kastanien mit den Abgasen. London kam mir auf einmal sehr laut vor, voller Gerüche und Bewegung. Ich fand es beunruhigend und verwirrend, schob aber alles auf den Jetlag. Ich würde mich sicher daran gewöhnen.
    Wir landeten in dem kleinen Café, in dem wir immer unsere Besprechungen am Montagmorgen abgehalten hatten. Es war fast leer – zu spät fürs Frühstück, zu früh fürs Mittagessen. Die einzigen anderen Gäste waren ein Mann im Jogginganzug, der ein Feigentörtchen aß, und eine dünne Frau, die die
Daily Mail
studierte. Wir bestellten und setzten uns in eine warme Ecke, so weit entfernt wie möglich von den Lautsprechern, aus denen Jazzmusik dröhnte.
    »So«, sagte Adelaide und schob sich eine schwarze Locke aus dem Gesicht. »Josh.«
    »Ja. Josh.«
    »Wie ist das passiert?«
    »Er hat sich von Sarah getrennt. Dann hat er mich angerufen, und ich bin zurückgekommen.«
    »Und das ist … in Ordnung für dich?«
    »Natürlich.« Doch ich fühlte mich in seiner Gegenwart nicht richtig wohl. Und konnte mich noch nicht dazu überwinden, mit ihm zu schlafen. Aber das sagte ich nicht. »Obwohl ich gestehen muss, dass es sehr plötzlich kam. Reden wir doch mal über dich. Ich kann deinen prüfenden Blick nicht ertragen.«
    Adelaide hatte nichts gegen den Themenwechsel und erzählte mir viele Geschichten über den fliegenden Faschisten, den sie tatsächlich ganz liebgewonnen hatte. Als unsere Bestellung kam, forderte sie mich auf, von meinem Leben in Tasmanien zu erzählen – was Josh übrigens nicht getan hatte –, und dabei überkam mich eine leise Melancholie, die verdächtig an Heimweh erinnerte.
    In Adelaides Gesellschaft konnte ich mich endlich entspannen, fühlte mich nicht mehr so sonderbar und surreal. Der Weißwein trug sicher dazu bei. Bald musste sie wieder zur Arbeit, und wir gingen nach draußen, um ein Taxi zu rufen.
    »Hast du vor zu bleiben?«
    »Ich glaube schon.«
    »Hm.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich meine ja nur … Du hast Josh eben nur zweimal erwähnt.«
    »Und?«
    »Jemanden namens Patrick hast du hingegen elfmal erwähnt.«
    Ich tat es mit einem Lachen ab und wollte schon sagen, sie müsse sich verhört haben, als ein Taxi um die Ecke schoss. Wir traten vor und streckten den Arm aus.
    »Mach’s gut, Emma.« Sie küsste mich auf die Wange. »Bis bald. Vielleicht bei der Hochzeit.« Sie zwinkerte mir zu, doch schon das Wort löste eine eisige Angst in mir aus.
    Ich war nur müde. Das sagte ich mir, während ich nach Hause fuhr. Ich konnte nicht klar denken, und deshalb fühlte sich meine Rückkehr nach London nicht so toll und aufregend an, wie ich erwartet hatte. Der Jetlag und zwei Gläser Wein zum Essen waren auch nicht gerade hilfreich. Ich setzte mich bei Josh auf die Couch und versuchte, mich auf den Fernseher zu konzentrieren, schlief aber mit der Sonne auf der Wange ein.
    Später, wie viel später, konnte ich nicht sagen, erwachte ich

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