Der Wind über den Klippen
wusste, dass es die Klippen erlaubten, wenn man Distanz zum Ufer hielt.
Von Westen gesehen machte Rödskär einen abweisenden Eindruck. Die hohen Felsen wirkten von hier aus uneinnehmbar.
Als Seefestung war die Insel ideal. Als wir von Süden her in den Hafen einfuhren, hörte ich, wie Hakkarainen Koivu weckte.
Mikke sprang als Erster auf die Felsen, ich folgte ihm, um die Achterleine zu vertäuen. Vernünftigerweise hatte ich statt der neuen Pumps meine alten Turnschuhe angezogen.
Koivu stolperte mit zusammengekniffenen Augen aus der Kajüte und holte hastig die Sonnenbrille hervor. Er sprang unbeholfen an Land, erst danach kam der Taucher auf die Idee, die Leiter auszulegen, über die der Ausstieg ein Klacks war.
»Koivu, bringst du bitte Holma und Sjöberg ins Haus, ich komme gleich nach«, sagte ich und gab ihm den Schlüssel zum Gästehaus, den wir am Sonntag mitgenommen hatten. Ich blieb mit den Technikern und dem Taucher zurück.
»Wir suchen eine Hiebwaffe. Dem Pathologen zufolge ist sie regelmäßig geformt und hat wahrscheinlich Glasbestandteile, denn an Merivaaras Kopf wurden Glassplitter gefunden.«
»Hat er eine Brille getragen?«, fragte Hakkarainen.
»Ja, aber sie ist verschwunden. Du suchst im Wasser«, sagte ich zum Taucher. »Ich nehme inzwischen Sjöberg wegen der Tatwaffe in die Zange.«
Koivu hatte Mikke und Sjöberg in die Küche gebracht. Da die Fenster nach Norden gingen, fiel kein Sonnenlicht herein, der Raum lag im Halbdunkel. Mikke zündete eine Sturmlampe an, während Koivu einen halben Liter Cola in sich hineinschüttete.
Ich ärgerte mich, dass kein dritter Beamter frei gewesen war, der bei dem einen Mann bleiben konnte, während Koivu und ich den anderen vernahmen. Ich musste also allein zurechtkommen, nur besaßen solche inoffiziellen Aussagen leider keine Beweiskraft.
»Komm mal mit in die Sauna«, sagte ich zu Tapio Holma, der mich überrascht ansah, dann aber folgsam aufstand. Auch Mikke erhob sich, doch ich winkte ab. »Du nicht.«
»Wie geht es Riikka?«, fragte ich, als wir aus dem Haus traten.
Tapio schüttelte den Kopf.
»Nicht besonders. Sie fühlt sich schuldig, weil sie sich in den letzten Tagen vor seinem Tod mit ihrem Vater gestritten hat.«
Die Sauna war nicht abgeschlossen. Drinnen roch es nach Rauch und getrockneten Birkenblättern. Mir wurde warm bei der Erinnerung an den Abend, als Antti und ich uns auf der mittleren Pritsche geliebt hatten. Er schien in weiter Ferne zu liegen, obwohl erst anderthalb Monate vergangen waren.
»Ging es bei dem Streit zwischen Riikka und ihrem Vater um dich?« Ich setzte mich auf die Bank im Umkleideraum, auf der ein zerknülltes Leinenhandtuch lag. Als ich es aufhob, entdeckte ich darauf braune Hecken, wahrscheinlich getrocknetes Blut.
Tapio Holma warf einen Blick auf das Handtuch und wandte hastig das Gesicht ab. Ich äußerte mich nicht zu den Flecken, sondern faltete das Handtuch ordentlich zusammen, sodass die schön gestickten Initialen J. M. zuoberst lagen. Seltsam, dass es nicht schon am Sonntag mitgenommen worden war – hatten die Techniker die Sauna gar nicht durchsucht? Ich wiederholte meine Frage und sah Holma auffordernd an.
»Natürlich ging es um mich. Juha hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass er unsere Beziehung missbilligte. Er hat mich gefragt, ob ich ehrenwerte Absichten hätte.«
»Und, hast du?«
»Wenn du meinst, ob ich sie heiraten will, ist die Antwort ja.«
Wieder fuhr er sich durch die dichten Haare, ich fragte mich, ob er das auch beim Singen tat. »Ich weiß, dass Riikka noch sehr jung ist, aber ich möchte mein Leben mit ihr teilen und eine Familie gründen. Suzanne, meine Exfrau, und ich hatten uns darauf geeinigt, keine Kinder zu bekommen. Darunter hätte vor allem Suzannes Karriere gelitten, aber meine auch, und die Karriere war uns damals wichtiger als Kinder. Heute denke ich anders darüber.«
Er sah zum Fenster hinaus. »Da oben unter der Dachrinne haben im letzten Sommer Schwalben genistet, wir waren gerade in der Woche hier, als die Jungen flügge wurden. Sie haben einen ganz schönen Lärm gemacht. Seit sie in den Süden gezogen sind, ist es sehr still hier.«
Ich ging nicht auf den Themenwechsel ein.
»Kommen wir noch einmal auf den Sonntagmorgen zurück, an dem Juhas Leiche gefunden wurde. Wies irgendetwas darauf hin, dass sein Tod möglicherweise kein Unfall war?«
Er schüttelte den Kopf.
»Es ist mir unbegreiflich, dass Juha tatsächlich ermordet worden sein soll.
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